Wer macht Kanzler?

Bis auf einmal stellte ihn die stärkste Partei

Innenpolitik
03.10.2024 13:33

Nirgends ist festgeschrieben, dass die stärkste Partei im Nationalrat Anspruch auf das Kanzleramt hat. Dennoch stellte bisher immer der Erstplatzierte den Bundeskanzler – mit einer Ausnahme: Vor 25 Jahren sicherte sich Wolfgang Schüssel (ÖVP) mit Hilfe der zweitplatzierten FPÖ vom dritten Platz aus den Kanzlersessel. Auf Landesebene gab es bereits einige Male den Fall, dass ein Landeshauptmann aus den Reihen der zweit- oder drittplatzierten Partei stammte.

Nach den bis Sonntag 23 Nationalratswahlen in der Geschichte der Zweiten Republik stellte 22 Mal die mandatsstärkste Partei den Bundeskanzler. Zweimal – 1953 und 1959 – lag zwar die SPÖ beim Stimmenanteil an erster Stelle, mehr Mandate errang wegen der Wahlarithmetik aber die ÖVP. Daher stellte auch die Volkspartei jeweils den Bundeskanzler. Nur einmal bisher wurde ein Kanzler angelobt, dessen Partei nicht die größte Fraktion im Nationalrat stellte.

Der „Sondierungsauftrag“
Die Situation nach der Nationalratswahl 1999 war vertrackt: die stimmenstärkste SPÖ schloss eine Koalition mit der zweitgereihten FPÖ aus, die drittgereihte ÖVP beschloss den Gang in die Opposition. Bundespräsident Thomas Klestil erfand daher den „Sondierungsauftrag“. Dem SPÖ-Chef Viktor Klima erteilte er damit zunächst den Auftrag, mit den übrigen Parteien die Möglichkeiten für eine Regierungsbeteiligung auszuloten. Erst 67 Tage nach der Wahl folgte ein formaler Regierungsbildungsauftrag. Die folgenden Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP scheiterten, ebenso wie Bemühungen um eine SPÖ-Minderheitsregierung. 124 Tage nach der Wahl wurde ÖVP-Chef Schüssel, der bereits parallel mit der FPÖ verhandelt hatte, dann als Kanzler angelobt.

FPÖ-Chef Jörg Haider wird Landeshauptmann
Ähnliche Konstellationen, wo nicht die stärkste Partei zum Zug kam, gab es in den Bundesländern bereits einige Male. In Kärnten ging zweimal die SPÖ als Erstplatzierte leer aus. Nach der Landtagswahl 1989 schnappte sich der Chef der zweitstärksten FPÖ, Jörg Haider, mithilfe der ÖVP den Landeshauptmann-Sessel. Zwei Jahre später wurde Haider von SPÖ und ÖVP wegen seines Ausspruchs über die „ordentliche Beschäftigungspolitik“ in der Nazi-Zeit per Misstrauensvotum vom Landtag abgewählt. Sein Nachfolger wurde Christof Zernatto von der ÖVP. Nach der Wahl 1994 einigten sich die wieder erstplatzierte SPÖ (37,37) und die drittplatzierte ÖVP (23,79) auf eine neuerliche Wahl Zernattos – der bis heute einzige von der ÖVP gestellte Landeshauptmann in Kärnten.

In Oberösterreich war es ebenfalls die SPÖ, die einmal übergangen wurde. Bei der Wahl 1967 landeten die Sozialdemokraten mit 45,95 Prozent knapp vor der ÖVP (45,21), dennoch sicherte die ÖVP durch einen Pakt mit den Freiheitlichen ihrem Langzeit-Landeschef Heinrich Gleißner erneut den Sessel des Landeshauptmanns.

Das dritte Bundesland, wo nicht immer alles den Usancen gemäß ablief, ist die Steiermark – allerdings nicht gegen den Willen des Erstgereihten. Nach der Landtagswahl 2015, bei der die SPÖ vor der ÖVP lag, überließ Landeshauptmann Franz Voves freiwillig seinem bisherigen Stellvertreter und „Reformpartner“ Hermann Schützenhöfer (ÖVP) sein Amt. 1953 lag es nur an der Wahlarithmetik, dass die zwar stimmenmäßig stärkere SPÖ der an Mandaten überlegenen ÖVP den Landeshauptmann doch nicht abknöpfen konnte.

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