Die Europaministerin und Koalitionsverhandlerin im Team von Kanzler Karl Nehammer hat jetzt eine überraschende und sehr persönliche Entscheidung getroffen: Karoline Edtstadler zieht es zurück in ihre Heimat Salzburg. Der Spitzenpolitik will sie vorerst den Rücken kehren.
Damit hatte zum jetzigen Zeitpunkt wohl keiner gerechnet: Edtstadler (ÖVP) wird der nächsten Regierung nicht mehr zur Verfügung stehen. Die Europaministerin ist dazu bereit, Bundeskanzler Nehammer noch als Mitglied des ÖVP-Verhandlungsteams für die Koalitionsgespräche mit SPÖ und NEOS zur Verfügung zu stehen. Danach aber macht Edtstadler vorerst Schluss mit der Spitzenpolitik. Die Juristin wird als Abgeordnete im Parlament bleiben und eine Anwaltskanzlei in Salzburg aufbauen. Ihre von persönlichen und politischen Gründen motivierte Entscheidung bestätigte Edtstadler am Samstag der „Krone“.
Erst „Kickl-Aufpasserin“, dann Ministerin
Edtstadlers politische Laufbahn in Stichworten: 2017 von Sebastian Kurz als Staatssekretärin und Kickl-Aufpasserin ins Innenministerium geholt. Danach war sie zwei Jahre Abgeordnete im EU-Parlament. Ab 2020 Kanzleramtsministerin und etwas später Ministerin für Europa und Verfassung.
Spannungen zwischen Ministerin und Kanzler-Vertrauten
Noch vor den Nationalratswahlen wurde Edtstadler – so wie der als EU-Kommissar nach Brüssel gelobte Magnus Brunner – als mögliche Nachfolgerin von Bundeskanzler Nehammer gehandelt. Das soll dem Vernehmen nach immer wieder zu Spannungen zwischen Vertrauten des Regierungschefs und der Ministerin geführt haben. Zumal Edtstadler den Ruf hat, zwar loyal, aber auch sehr ehrgeizig zu sein.
Vor Wochen hieß es, dass sie, wenn schon nicht EU-Kommissarin, zumindest Zweite Nationalratspräsidentin werden könnte. Zuletzt machte das Gerücht die Runde, Edtstadler werde Justizministerin. Dabei hatte die 43-Jährige schon Ende September überlegt, eine andere Laufbahn einzuschlagen.
„Auftrag“ aus Salzburg bei Nationalratswahl
„Das starke Ergebnis bei den Nationalratswahlen, das ich in Salzburg bekommen habe, sehe ich als Auftrag, die Interessen meines Bundeslandes in den kommenden fünf Jahren als Abgeordnete zum Nationalrat mit vollem Einsatz zu vertreten“, bestätigt die Europaministerin der „Krone“. Ihr sei schon vor Jahren klar gewesen, dass sie völlige wirtschaftliche Unabhängigkeit brauche. Das sei gerade für Politiker „enorm wichtig, um freier entscheiden zu können.“
Auf die Nachricht, dass Karoline Edtstadler sich um kein Amt in der nächsten Regierung bemühen will, werden einige in der ÖVP mit Erleichterung reagieren. Wenn die Starken das Feld räumen, haben die Schwächeren freie Bahn. In der Praxis bedeutet Edtstadlers vorauseilender Verzicht auf einen Ministerposten die fast völlige Verniederösterreicherung des ÖVP-Regierungsteams.
Bundeskanzler Karl Nehammer ist zwar gebürtiger Wiener, wurde aber unter Johanna Mikl-Leitners harter Hand zum politischen Zwangsniederösterreicher. Als Vertraute bleiben Nehammer nur noch der famose Innenminister Gerhard Karner aus dem niederösterreichischen Texing und die stets lustige Verteidigungsministerin Klaudia Tanner aus Scheibbs, die Nehammer vom niederösterreichischen Bauernbund zu übernehmen hatte. Eventuell darf auch Susanne Raab als Ministerin für Leitkultur weiter mitspielen. Raab kommt aus Oberösterreich, hat sich allerdings längst an Niederösterreichs Sitten angepasst.
Derartig vertraut und familiär aufgestellt, bleiben Nehammer diverse Fehden in seinem Team künftig erspart. Frische Gedanken, geistiger Widerspruch und ein neues Regieren wird sich mit diesen Leuten freilich kaum ergeben.
Ernsthaft zu denken geben sollte dem Kanzler auch, dass Edtstadler der nächsten Regierung gar nicht erst angehören will. Geduld galt bisher nicht gerade als Edtstadlers größte Stärke. Diesmal kann sie offenbar warten.
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