Nach Expertenkritik

Leitspital: Sonderlandtag noch vor der Wahl?

Steiermark
08.11.2024 10:56

Dieser Rechnungshofbericht birgt Brisanz: Ausgerechnet vor der Landtagswahl zerlegen die steirischen Prüfer das Landes-Prestigeprojekt Leitspital Liezen, das zum Millionengrab werden könnte. Der „Krone“ liegt das Geheimpapier vor – das sind die Details.

Wie berichtet, übermittelte der Landesrechnungshof diese Woche Regierungs- und Oppositionsparteien den brandaktuellen Projektkontrollbericht zum Leitspital Liezen, einem zumindest 330-Millionen-Euro-Vorhaben, das bis 2027 realisiert werden soll. Nach einer ersten Durchsicht des Geheimberichts übten FPÖ, Neos, KPÖ und Grüne scharfe Kritik an ÖVP und SPÖ, die am Bau festhalten wollen. Mittlerweile stehen alle Zeichen auf die Abhaltung eines Sonderlandtags zum Zentralkrankenhaus in Stainach-Pürgg noch vor der Landtagswahl. 

Die brisanten Fakten
Der „Krone“ wurde der Geheimbericht zugespielt – hier die Details:

  • Gesamtkosten:
    Das Projekt Klinikum Stainach wurde beim Landesrechnungshof Steiermark am 31. Juli 2024 mit einer Gesamtsumme von 302,03 Millionen Euro zur Projektkontrolle eingereicht. Mit Landtagsbeschluss vom 19. September 2023 wurde für dieses Projekt ein Maximalbetrag von 330,85 Millionen Euro (Preisbasis Fertigstellung 2028) bewilligt. Jedoch: „In dieser Summe sind die Kosten für das Grundstück nicht inkludiert“, hebt der RH jetzt hervor. Zudem wurde bei der Budgetierung auf wichtige Begleitprojekte wie die Energie- und Medienversorgung des Grundstückes (sprich: Wasser und Abwasser, Heizung und Internet), eine Anbindung an das übergeordnete Wegenetz, Haltestellen bzw. Anbindungen an den öffentlichen Verkehr oder etwa die Schaffung eines Personalwohnhauses oder Kindergarten für die Mitarbeiter vergessen.
Der steirische Landesrechnungshof-Direktor Heinz Drobesch. (Bild: Sepp Pail)
Der steirische Landesrechnungshof-Direktor Heinz Drobesch.
  • Projektorganisation:
    Das Thema Behördenverfahren hat der RH ebenso aufgegriffen. Dazu stellen die Prüfer fest, „dass es durch die knappen Termine zu Qualitätseinbußen bei der Baueinreichung kam“. Der Landesrechnungshof empfiehlt, „für die Planung und die damit im Zusammenhang stehenden Behördenverfahren ausreichend Zeit vorzusehen“. Es wird auch betont, dass drei Verfahren noch gar nicht abgeschlossen sind. Dabei könnten Auflagen zu zusätzlichen Kosten führen.
  • Nachnutzung für Spitäler-Trio:
    Bekanntlich soll das neue Klinikum Stainach die bestehenden Spitäler in Schladming, das von der Diakonie betrieben wird, sowie die beiden Landeskrankenhäuser in Bad Aussee und Rottenmann ersetzen. Die groß angekündigte Nachnutzung dieser Standorte wird in den Projektunterlagen mit keinem Wort erwähnt. Der RH pocht diesbezüglich auf mehr Weitsicht: Da die aktuellen Pläne für die drei Häuser über eine fachärztliche Standardversorgung hinausgehen sollen, würde dies unter anderem „eine weitere Verschärfung für die bereits jetzt angespannte Personalsituation in der Region“ bedeuten.
Der Gesundheitsfonds Steiermark mit Michael Koren an der Spitze hat die  Projektleitung über. (Bild: steiermark.at/Streibl)
Der Gesundheitsfonds Steiermark mit Michael Koren an der Spitze hat die  Projektleitung über.
  • Betriebsführung:
    Wie bereits berichtet, soll für das neue Klinikum eine eigene Betriebsführungsgesellschaft unter dem Titel „Betreibergesellschaft Leitspital Region-Liezen“ errichtet werden. An einem Entwurf für einen Gesellschaftsvertrag, der zwischen Kages und Diakonie abgeschlossen werden soll, werde gerade gearbeitet. Dieser Punkt stößt den Prüfern besonders sauer auf. Begründung: Die Last der Finanzierung der Errichtung (Investitionskosten) und des Betriebs sind „weiterhin zur Gänze vom Land Steiermark zu bewältigen“, gleichzeitig geben Land und Kages aber „Steuerungs- und Kontrollmöglichkeiten auf“. Der RH empfiehlt daher „nachdrücklich, das Modell fallen zu lassen und das Klinikum Stainach voll in die Kages zu integrieren und als Landeskrankenanstalt zu führen.“
  • Personal:
    Laut Projektunterlagen werden für das neue Haus 603,39 Dienstposten notwendig sein. Diese Angabe kann der RH „grundsätzlich nachvollziehen“. Sorge bereitet den Experten in Zeiten von akutem Ärzte- und Pflegemangel jedoch die Rekrutierung des vielen Fachpersonals: „In Hinblick auf die starke Nachfrage am Arbeitsmarkt bzw. die geplanten Nachnutzungskonzepte für die bestehenden Standorte in Rottenmann, Bad Aussee und Schladming ist fraglich, ob ausreichend Mitarbeiter aller Berufsgruppen bereit sind, ihre Tätigkeit nach Stainach zu verlagern…. Es ist daher zu fragen, ob insgesamt ausreichend Personal lukriert werden kann, um das eingereichte Projekt in der geplanten Form betreiben zu können.“

Vielfältige Reaktionen
Da die Prüfer grundsätzlich bestätigen, dass das neue Klinikum sinnvoll ist, kann Michael Koren vom Gesundheitsfonds Steiermark die Aufregung um den Bericht nicht nachvollziehen: „Ich bin zufrieden, da die Sollkosten bestätigt wurden“, sagt er im Gespräch mit der „Krone“. Vor allem eines würde ihn aber „wundern“: „Dass vom Rechnungshof eine derart massive Kritik an der geplanten Betreibergesellschaft geübt wird, verstehe ich nicht, da die Diakonie in der Region stets als fairer Partner in Erscheinung trat“.

„Die Kritik des Landesrechnungshofs an der diskutierten Variante der Betreibergesellschaft nehmen wir ernst. Selbstverständlich werden wir alle Anregungen prüfen, damit es die besten Lösungen gibt“, kommentiert Gesundheitslandesrat Karlheinz Kornhäusl (ÖVP) die jüngsten Entwicklungen.

Leistung der Diakonie?
Den schärfsten Tadel formuliert der grüne Kontrollsprecher Lambert Schönleitner: „Die geplanten Zusatzprojekte treiben die Kosten massiv in die Höhe, der Standort Stainach ist ohne schlüssiges Personal- und Zukunftskonzept gewählt, und noch keine einzige wesentliche Genehmigung für das Projekt ist bislang vorhanden“, fühlt er sich in seinem Kurs bestätigt. Durch die „völlig undurchsichtige Doppelbetreiberstruktur“ verliere die Kages die „direkte Steuerungs- und Kontrollmöglichkeit“ über das Projekt. Schönleitner fragt erneut: „Was ist eigentlich die Leistung der Diakonie?“

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