Polit-Koloss wurde 86

SPÖ-Urgestein Hannes Androsch ist gestorben

Innenpolitik
11.12.2024 17:02

Einer der einflussreichsten Politiker der Nachkriegszeit ist tot. Der Industrielle Hannes Androsch ist Informationen der „Krone“ zufolge in seinem Haus in Bad Aussee im Alter von 86 Jahren überraschend verstorben. 

„Unsere Gedanken sind bei seinen trauernden Angehörigen“, hieß es am Mittwoch von seiner Stiftung. Zuletzt plagte den Polit-Koloss eine Lungenentzündung. Als führender Politiker der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ) prägte er über viele Jahre das wirtschaftspolitische Profil des Landes. Androsch trat früh in die SPÖ ein und stieg schnell in Führungspositionen auf.

Von 1967 bis 1981 war er Abgeordneter zum Nationalrat, 1970 wurde er von Bundeskanzler Bruno Kreisky zum Finanzminister ernannt, eine Position, die er bis 1981 innehatte. Während seiner Amtszeit setzte Androsch auf expansive Wirtschaftspolitik und spielte eine Schlüsselrolle bei der Modernisierung der österreichischen Infrastruktur sowie bei der Förderung von Wissenschaft und Forschung.

Architekt des sozialen Ausgleichs
Besonders markant war sein Fokus auf eine aktive staatliche Wirtschaftspolitik, die auf Vollbeschäftigung, sozialen Ausgleich und Innovationsförderung abzielte. Er galt als Architekt zahlreicher Reformen im Bildungs- und Gesundheitswesen, die Österreich nachhaltig veränderten.

Hannes Androsch 1938-2024 (Bild: Bartel Gerhard)
Hannes Androsch 1938-2024

Konflikte und Rückzug aus der Politik
Trotz seiner Erfolge war Androschs Karriere nicht frei von Kontroversen. Androsch galt als „Thronfolger“ von SPÖ-Kanzler Bruno Kreisky, bevor er in Ungnade fiel und als Industrieller eine zweite Karriere begann. Grund für den Bruch war der zunehmend eigenständige Kurs der zu Spannungen mit Kreisky führte, der 1981 schließlich zu Androschs Rücktritt drängte. Auch eine spätere Steuerprüfung und gerichtliche Verfahren belasteten sein Ansehen, obwohl er von zentralen Vorwürfen freigesprochen wurde.

Nach seinem Rückzug aus der aktiven Politik wechselte Androsch in die Privatwirtschaft. Als Unternehmer und Berater war er weiterhin eine prägende Stimme im öffentlichen Diskurs und setzte sich für Themen wie Bildung und Innovation ein.

Politisches Werk eng mit Kreisky verbunden
Androschs politisches Werk bleibt eng mit der Ära Kreisky verbunden, in der Österreichs Sozialstaat ausgebaut und die Basis für den heutigen Wohlstand gelegt wurde. Seine Arbeit im Bereich der Wirtschaftspolitik und seine Visionen für ein modernes Österreich wirken bis heute nach.

Van der Bellen „tief betroffen“
Bundespräsident Alexander Van der Bellen würdigte das Wirken des SPÖ-Urgesteins bis zuletzt: „In den letzten Jahren war er ein unermüdlicher Mahner für Reformen in der Schul- und Bildungspolitik. Hannes Androsch zeigte Präsenz bis zum letzten Atemzug. Er war eine Persönlichkeit, die fehlen wird. Sein plötzlicher Tod macht mich tief betroffen.“

Nehammer: „Hat Politik über Jahrzehnte geprägt“
Die heimische Politik reagierte erschütternd. „Hannes Androsch hat nicht nur die Politik, sondern auch die Wirtschaft unseres Landes über Jahrzehnte geprägt. Er war in jeder Hinsicht eine schillernde Persönlichkeit. Als langjähriger – und damals sehr junger – Finanzminister ebenso wie als Industriekapitän“, so Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) gegenüber der „Krone“. 

Ähnlich äußerte sich SPÖ-Chef Andreas Babler: „Hannes Androsch hat das sozialreformerische und wirtschaftspolitische Großprogramm der Sozialdemokratie der 1970er-Jahre maßgeblich geprägt und dazu beigetragen, Österreich zu einem modernen Industriestaat zu machen. Wir danken ihm dafür.“

Häupl wird „brillanten Denker“ vermissen
Über viele Jahre hinweg war auch Wiens Ex-Bürgermeister Michael Häupl ein politischer Weggefährte: „Österreich hat einen unkonventionellen, manchmal widersprüchlichen, aber brillanten Denker verloren.“ Vor allem in der zweiten Hälfte seines Lebens habe Androsch „große Dinge“ für die Wissenschaft geleistet.

„Wir waren früher nicht immer einer Meinung, haben uns aber angenähert und auch angefreundet.“ Kürzlich waren die beiden in Wien noch beim Italiener essen.

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