Steirisches Kulturjahr

Traurige Abschiede und erfreuliche Neuzugänge

Steiermark
30.12.2024 11:00

Das steirische Kulturjahr 2024 war bewegt. Einerseits musste der Abschied von Größen wie Günter Brus, Bodo Hell und Vojo Radkovic vermeldet werden, andererseits freute man sich über die Eröffnung neuer Häuser. Und auch politisch wurden mit Kulturlandesrat Karlheinz Kornhäusl Weichen gestellt.

Knapp vor Weihnachten gab es die große kulturpolitische Überraschung: Mit dem Arzt Karlheinz Kornhäusl (ÖVP) hat die Steiermark einen brandneuen und weitgehend metierfremden Kulturlandesrat, auf den nicht gerade wenige Herausforderungen zukommen. Er folgt Christopher Drexler nach, der ihm mit der Steiermark Schau und mit der Kulturstrategie 2030 einige Impulse hinterlässt. Ein gewaltiger Um- und Aufbruch, dessen Richtung sich allerdings erst 2025 zeigen wird.

Das Jahr 2024 war für die steirische Kulturszene allgemein ein sehr bewegtes: Der Wechsel an der Spitze der Landesregierung und die Teuerungswelle drückten nicht nur die Stimmung, sondern auch die Budgets. Vor allem in der Freien Szene hat ein Ringen ums Überleben begonnen. Und trotzdem kamen gerade aus diesem Bereich einige Höhepunkte des Kulturjahres – etwa der bombastische Theaterabend „Ein Körper : Mein Fließen“ des Grazer Theaters Quadrat, die spannende Europa-Erkundung des Theaters im Bahnhof oder das kleine, feine Konzert von Paul Plut im Orpheum. Vor allem aber war 2024 auch ein Jahr der Abschiede.

Abschied von Brus, Hell und Radkovic
Am 10. Februar starb mit Günter Brus einer der wenigen steirischen Weltstars der Kulturszene. Vor allem mit seinen Aktionen, wie „Kunst und Revolution“, dem „Wiener Spaziergang“ oder der „Zerreißprobe“, hat er Kunstgeschichte geschrieben. Bis an die Grenzen und noch ein beachtliches Stück darüber hinaus blieb aber auch nach seinen aktionistischen Zeiten ein Lebensmotto. 

In einer Kombination aus Zeichnungen und Texten erschuf Brus das Genre „Bild-Dichtung“, bei dem beide Komponenten gleichwertig sind. Tausende Blätter sind so entstanden, in Zyklen zusammengefasst, aber auch als Solitäre. Daneben fand er noch Zeit, Bühnenbilder und Kostüme zu entwerfen.

Der berühmte „Wiener Spaziergang“ aus der aktionistischen Zeit von Günter Brus. (Bild: Bruseum)
Der berühmte „Wiener Spaziergang“ aus der aktionistischen Zeit von Günter Brus.

Seine Stärke war nicht nur seine überbordende Fantasie und sein nicht enden wollender Kampf- und Widerspruchsgeist, sondern auch die Fähigkeit, mit anderen Künstlern zusammenarbeiten zu können. Seine Arbeiten waren auf unzähligen Ausstellungen in Europa, Australien und den USA zu sehen, darunter auch auf der Biennale in Venedig und gleich mehrmals auf der documenta im deutschen Kassel. Und natürlich in seinem Bruseum in der Grazer Neuen Galerie, dem 2011 eröffneten Museum, das ihm bereits zu Lebzeiten ein Denkmal setzte.

Vergebliche Suche nach Autor Bodo Hell
Tragisch endete auch das Leben des Literaten Bodo Hell. Seit Ende der 1970er-Jahre hat der Autor, der erst im Vorjahr mit dem Großen Österreichischen Staatspreis für Literatur geehrt wurde, jeden Sommer auf der Grafenbergalm im Dachsteingebiet verbracht, denn er war auch ein großer Tierfreund – an die 80 Rinder, aber auch Schafe und Pferde standen unter seiner Obhut. Doch im August verschwand er spurlos.

Bodo Hell auf der Grafenbergalm (Bild: Mayr)
Bodo Hell auf der Grafenbergalm

Am 11. August wurde er von einem Bekannten als vermisst gemeldet, tagelang wurde rund um den Dachstein nach dem Autor gesucht – leider vergeblich. Am 9. September, also einen Monat nachdem er zuletzt gesehen worden war, wurde er von seinem Grazer Verlag offiziell als „verschollen“ gemeldet. Bis heute fehlt von ihm jede Spur – dafür hat er seine Spuren in der heimischen Literaturwelt hinterlassen.

Er brachte die Pop-Stars in die Steiermark
Abschied nehmen musste die heimische Kulturszene auch von Vojo Radkovic. Dass auch Graz und die Steiermark ab den 1970ern auf den Tourplänen echter Weltstars stand, ist vor allem einem Mann zu verdanken: Vojo Radkovic. Der Journalist setzte es sich in den Kopf, Musikgrößen nach Graz zu holen – und hat es einfach gemacht. AC/DC, Tina Turner oder Johnny Cash

Vojo Radkovic (Bild: zVg)
Vojo Radkovic

In den vergangenen Jahren hatte sich Radkovic aus dem Konzertgeschäft zurückgezogen, war vor allem als Journalist tätig. Am 30. September ist er völlig überraschend und nur wenige Tage vor seinem 78. Geburtstag in Graz verstorben. 

Weitere Todesfälle
Alfred Komarek, mit seinen „Polt“-Krimis überaus erfolgreicher Autor aus dem Ausseerland, starb im Jänner des Jahres. Auch die Architekturszene hatte traurige Verluste zu beklagen: Hermann Pichler, Mitglied der Werkgruppe Graz, prägte die steirische Architekturszene. Mit dem Briten Colin Fournier, dem Planer des Grazer Kunsthauses, verstarb ein wacher Begleiter des steirischen Kulturgeschehens. Und mit Julia Reichert, die 1989 in Graz das einzigartige Kabinetttheater gegründet hat, verlor auch die österreichische Theaterszene eine Größe. Die Filmwelt trauerte um die Grazer Regisseurin Katharina Copony und das Museum im Schloss Trautenfels um seinen langjährigen Kurator Wolfgang Otte.

Erzherzog-Johann-Museum in Stainz
Doch es gab in der steirischen Kulturszene auch viel Erfreuliches zu vermelden – so etwa die Eröffnung des neuen Erzherzog-Johann-Museums im Schloss Stainz. Auf 650 Quadratmetern werden alle Aspekte des Habsburgers, der sein Leben dem Fortschritt verschrieben hat, durchleuchtet, klug gestaltet von „die Organisation“ und wissenschaftlich fundiert aufgearbeitet von Museumsleiter Karlheinz Wirnsberger und seinen Kuratorinnen Barbara Müller sowie Maria Zengerer.

Blick ins neue Museum in Stainz (Bild: UMJ/J. J. Kucek)
Blick ins neue Museum in Stainz

Neben vielen spannenden Objekten aus der Sammlung des Joanneums laden auch zahlreiche interaktive Stadtionen zu einer näheren Auseinandersetzung ein. Vertiefen kann man sein Wissen zudem in vielen Schubladen, wo man Briefe und persönliche Gegenstände finden kann.

Neues Leben in altem Theaterhaus
Erfreulich war auch die Eröffnung einer neuen Spielstätte für die freie Grazer Theaterszene – obwohl es sich dabei eigentlich um das zweitälteste Theater der Landeshauptstadt handelt. Das ehemalige Gesellenvereinstheater, das 1859 fertiggestellt wurde und in dem der legendäre Schauspieler Alexander Girardi einst sein Bühnendebüt gefeiert hat, wurde nach Jahren im Dornröschenschlaf von einem engagierten Team aus der Freien Theaterszene (und finanziert von der Stadt Graz) wieder wachgeküsst

Neue Gesichter in Spitzenpositionen
Die Intendanten Dominik Kamalzadeh und Claudia Slanar haben 2024 ihre erste Diagonale erfolgreich absolviert. Ihre Bewährungsprobe noch vor sich haben Zerina Džubur und Karin Oberhuber als neues Führungsduo im Grazer Haus der Architektur. Sie sind Beate Engelhorn nachgefolgt und stehen für frischen Wind und noch mehr Öffnung nach außen.

Claudia Slanar und Dominik Kamalzadeh mit Ruth Beckermann, der Regisseurin des Eröffnungsfilms der Diagonale 2024. (Bild: Erwin Scheriau / KRONE)
Claudia Slanar und Dominik Kamalzadeh mit Ruth Beckermann, der Regisseurin des Eröffnungsfilms der Diagonale 2024.

Auch das von Elisabeth Fiedler mit Herzblut geführte Institut für Kunst im öffentlichen Raum hat mit Gabriele Mackert ab Jahresbeginn eine neue Leitung, ebenso wie das Museum in Stainz und die Rosegger-Standorte in Krieglach und Alpl, die ab 1. Jänner nicht mehr in den Händen von Karlheinz Wirnsberger, sondern in jenen seiner langjährigen Mitarbeiterin Barbara Müller liegen.

Neubesetzung in Stainz: Geschäftsführer Josef Schrammel, Barbara Müller und Karlheinz Wirnsberger (v. li.).  (Bild: Universalmuseum Joanneum)
Neubesetzung in Stainz: Geschäftsführer Josef Schrammel, Barbara Müller und Karlheinz Wirnsberger (v. li.). 

Einem kulturell turbulenten Jahr 2024, dürfte freilich ein noch turbulenteres Jahr 2025 folgen, bei dem sicher einige Überraschungen auf dem Spielplan stehen.

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