Vranitzky über FPÖ:

Doktrin nicht mehr passend, aber Vorsicht geboten

Innenpolitik
15.12.2024 09:37

Ex-Bundeskanzler Franz Vranitzky (SPÖ) sieht seine eigene Doktrin, die eine Zusammenarbeit mit der FPÖ – zumindest auf Bundesebene – ausschließt, aufgrund anderer Mehrheitsverhältnisse im Nationalrat nicht mehr passend. Dennoch mahnt er zur Vorsicht.

Ein kurzer Rückblick in die Geschichte der 2. Republik: Vranitzky hatte nach dem Obmann-Wechsel bei der FPÖ im Jahr 1986 die damalige rot-blaue Koalition beendet und fortan eine Zusammenarbeit mit dem damaligen FPÖ-Chef Jörg Haider strikt ausgeschlossen. Die sogenannte Vranitzky-Doktrin sieht er heute aber nicht mehr als zutreffend an, weil die Mehrheitsverhältnisse heute andere seien als im Jahr 1986, erklärt er nun in einem APA-Interview. Die SPÖ habe damals nämlich mit der ÖVP sogar die Verfassungsmehrheit gehabt.

„Darin liegt der Schlüssel“
„Man war ja nicht so gezwungen, an Koalitionen zu basteln, um die 50 Prozent zusammenzubringen“, sagt er. Auf die Frage, ob er nun für eine Zusammenarbeit der SPÖ mit der FPÖ sei, erklärt der 87-Jährige: „Ich persönlich habe das nicht zu entscheiden, aber ich würde in jedem Fall vorsichtig sein, (...) selbst wenn die Ausgangslage von 1986 nicht zutrifft.“ Der Schlüssel liege nämlich darin, „die politische Arbeit so voranzutreiben, dass man solche Koalitionen nicht braucht, um Mehrheiten zu bekommen“.

Tatsächlich arbeitet die SPÖ derzeit an einer Dreierkoalition mit der ÖVP und den NEOS. Auf die Erfolgschancen für die Verhandler möchte sich der SPÖ-Grande nicht festlegen. Er meint lediglich: „Ich horche den Parteien zu, und sie sagen, sie wollen. Sie sagen auch, sie können.“

Seiner Partei empfiehlt Vranitzky, „sich den neuen Herausforderungen zu stellen“, wie etwa der digitalen Revolution mit dem Aufkommen der Künstlichen Intelligenz und ihren Auswirkungen auf die Arbeitswelt, aber auch der menschengemachten Klimaveränderung. „Das alles stellt uns ja vor die Aufgabe, die soziale Frage im Lichte dieser Entwicklungen, um nicht zu sagen, Bedrohungen in den Mittelpunkt unseres politischen Denkens und Handels zu stellen“, sagt er.

„Feinschliff“ bei Migrationspolitik nötig
Auch beim Thema Migration müsse man zwischen verschiedenen Herausforderungen wie Arbeitskräftemangel, Überalterung der Bevölkerung, Bildung und Ausbildung „einen überzeugenden Weg finden, dass die eigene Bevölkerung diesen Weg mitgehen kann“. Die SPÖ berufe sich diesbezüglich immer auf das Doskozil-Kaiser-Papier, „aber diesbezüglich wird es sicher noch des Feinschliffs bedürfen“. Das erwähnte Papier beinhaltet unter anderem folgende Forderungen:

  • Einheitliche Asylverfahren EU-weit
  • Maximale Dauer eines Verfahrens drei Monate
  • Integrationsjahr für alle Zugewanderten
  • Ohne Asylgrund kein Bleiberecht
  • Verfahrenszentren an EU-Außengrenzen.

Nach dem Verlust der gemeinsamen Zweidrittelmehrheit bei der Wahl 1994 war übrigens erstmals darüber spekuliert worden, ob mit dem Liberalen Forum ein dritter Partner für die Roten und die Schwarzen in die Regierung aufgenommen werden könnte.

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