Schikane der Pendler oder Gesundheits-Risiko für ein Viertel der Steirer? Die Abschaffung des IG-L-Hunderters ließ im Landtag in Graz am Dienstag die Wogen hochgehen. Ende April soll die angekündigte Maßnahme Realität werden. Die Neubesetzung des Kulturkuratoriums verteidigte Karlheinz Kornhäusl (ÖVP).
In der aktuellen Stunde diskutierte das steirische Landesparlament über die Abschaffung des Luft-Hunderters auf den Autobahnen rund um Graz. „Luftschutz-Hunderter: Weil die Gesundheit der Steirer:innen an erster Stelle stehen muss!“, brachten die Grünen das Thema auf Tapet. Rede und Antwort stand Gesundheitslandesrat Karlheinz Kornhäusl (ÖVP).
„Als Mediziner weiß er genau, dass Gesundheit nicht beim Arzt beginnt, sondern dort, wo wir sie erhalten – bei der Vorsorge“, sagte Grünen-Klubobfrau Sandra Krautwaschl als erste Rednerin. Der IG-L-Hunderter sei ein Instrument, das „flexibel eingesetzt werden kann“, um die Gesundheit der Anrainer zu schützen.
„Daran sterben Menschen“
„Er schützt nicht die Luft, sondern uns Menschen. Autoabgase, Ultra-Feinstaub, Stickstoff-Oxide, Reifenabrieb sind Gift für unseren Körper.“ Krankheiten wie Asthma, aber auch Demenz stünden damit in Verbindung. „Schlechte Luft macht Menschen krank. Das sind harte Fakten.“ Daran sterben weit mehr Menschen als im Straßenverkehr, sagte Krautwaschl, und die Kosten im Gesundheitssystem würden steigen. Die Zeiteinsparung hingegen seien nur ein bis vier Minuten. „Welche Logik steckt da dahinter? Der Verdacht liegt nahe, dass es um eine rein ideologiegetriebene Entscheidung der FPÖ ist.“
Gesundheitslandesrat sieht sich nicht zuständig
Kornhäusl entgegnete, Gesundheit habe „immer oberste Priorität in meinem Leben“. Man brauche natürlich Grenzwerte und müsse sie einhalten. „Was ich allerdings nicht habe, ist die Expertise in der Umweltpolitik.“ Er sei nicht zuständig, sagte Kornhäusl.
KPÖ-Abgeordneter Alexander Melinz stellte zur Debatte, „ob es gerechtfertigt ist, für so wenig Ersparnis an Zeit die Gesundheit fast eines Viertels der steirischen Bevölkerung zu belasten? An der Warteschlange der Supermarktkasse büßt man die Zeitersparnis wieder ein.“
Auch Autofahrer sind Menschen. Auch deren Gesundheit sollte uns wichtiger sein als Ideologie.
Sandra Krautwasch, Grüne, zur Abschaffung des IG-L-Hunderters
„Schikane für Pendler“
Für die FPÖ meldete sich Michael Wagner zu Wort. „Ich bedanke mich, dass diese Schikane endlich ein Ende finden wird“, sagte er. „Ideologiegetrieben“ sei die Politik der Grünen im Bund gewesen, warf er Krautwaschl vor. Zu Zwischenrufen kam es, als Wagner den Ausbau der B68 ansprach. Wagner argumentierte damit, dass Autos heuer geringeren Ausstoß hätten als bei der Einführung des IG-L-Hunderters. „Der IG-L kann der Vergangenheit angehören.“
Armin Forstner, ÖVP, erinnerte, dass die Grenzwerte seit 2020 nicht mehr überschritten worden seien. Viele Menschen seien auf das Auto angewiesen. 22.000 Strafen wurden im vergangenen Jahr verhängt – mit der Abschaffung entgehen dem Land Steiermark zwei Millionen Euro, sagt Forstner.
Strengere Grenzwerte ab 2030
Wolfgang Dolesch von der SPÖ verwies auf eine neue EU-Richtlinie, die strengere Grenzwerte ab 2030 bringt. „Wenn es die Werte hergeben, werden wir uns nicht einer Abschaffung verschließen.“ Wenn neue Werte gelten, würde sich die SPÖ für deren Einhaltung einsetzen. Neos-Mandatar Robert Reif versteht nicht, „wieso man eine gute Maßnahme mir nichts, dir nichts abschafft und wissenschaftliche Daten ignoriert. Der Verkehrsfluss wird um nichts schneller, das wissen wir. Graz wird die Feinstaub-Hochburg bleiben.“
FPÖ-Umwelt-Landesrat Hannes Amesbauer sammelte Applaus: „Manche sind es vielleicht noch nicht gewöhnt, dass Wahlversprechen eingelöst werden.“ Die Prüfung der Landesabteilung 13 sei objektiv gewesen. Das Gutachten würde an die Opposition gehen, antwortete Amesbauer auf Zwischenrufe der Grünen, und teilte nach der Rede ebendiese aus.
Abschaffung wohl nur auf Zeit
In dem Bericht, der wiederum von der Landesabteilung 15 bei der TU Graz beauftragt wurde und welcher der „Krone“ vorliegt, heißt es: „Ein Vergleich, der die ab dem Jahr 2030 gültigen zukünftigen Grenzwerte für NO2 mit den aktuell gültigen Grenzwerten gegenüberstellt, zeigt die deutlich größere Anzahl an von Grenzwertüberschreitungen betroffenen Anrainern bei einem statischen Tempolimit von 130 km/h.“
Zuletzt meldete sich Landeshauptmann Mario Kunasek zu Wort. „Nicht aus ideologischen Gründen, sondern aus Überlegungen, die auf Zahlen, Daten, Fakten beruhen“, habe man sich so entschieden. „Wir gehen den Weg des Hausverstandes und der Entlastung.“ Die Landesregierung wolle nicht „Verkehrsteilnehmer auseinander dividieren“.
„Kürzungen stoppen“
Eine dringliche Anfrage der gesammelten Opposition beschäftigte am Nachmittag ebenso Kornhäusl diesmal in seiner Rolle als Kulturreferent. Man will Kornhäusl „unmissverständlich dazu auffordern, ein Kulturbudget in angemessener Höhe sicherzustellen, die drastischen Kürzungen sofort zu stoppen und das Kulturkuratorium mit fachkundigen und unabhängigen Expertinnen und Experten zu besetzen“, hieß es vorab. Die neue FPÖ-ÖVP-Landesregierung hatte das Kuratorium abberufen. Am Donnerstag um 18 Uhr findet eine Demonstration der Offensive gegen Rechts in Graz zu diesem Thema statt.
Kornhäusl: „35 Prozent mehr Budget für Kultur“
Der ÖVP-Landesrat versicherte: „Mir ist sehr bewusst, dass Kunst und Kultur über ein entsprechendes Budget verfügen muss. Es geht darum, alle Kulturschaffenden im Blick zu haben“, sagte er, auch jene abseits der großen Institutionen. „Politik darf und soll nie die Deutungshoheit über die Inhalte von Kunst und Kultur haben.“
In der Vergangenheit war das Kulturbudget stetig gestiegen. 2019 waren es knapp 60 Millionen Euro, jetzt seien es knapp 81 Millionen. „Da von einem Kahlschlag zu sprechen“, sagte er in Richtung Grünen-Kultursprecherin Veronika Nitsche, „das ist mutig“. Bei Kürzungen in der Stadt Graz habe er keinen Aufschrei vernommen. „Wenn wir uns gemeinsam anstrengen, kommen wir gemeinsam über budgetär schwierige Zeiten hinweg“, sagte Kornhäusl adressiert an die Kultur-Szene.
Selbstverständlich bekenne ich mich zur Kulturstrategie 2030. Es gibt 120 Maßnahmen, die wir begutachten werden, und zwei, bald drei Mitarbeiterinnen, die das umsetzen.
Karlheinz Kornhäusl (ÖVP)
Das Kulturkuratorium habe das Budget nicht eingehalten und dann von Kürzungen gesprochen, warf Kornhäusl dem abberufenen Gremium einmal mehr vor. Zudem habe er es als „unfair“ empfunden, dass manche, die mehrjährige Förderungen bekommen, auch noch Jahresförderungen bekämen.
Zur Besetzung des Kuratoriums sagte der ÖVP-Politiker: „Das war in der letzten Periode genau das Gleiche.“ Beratung setze „Vertrauen“ voraus. „Es gibt jetzt ein neu besetztes Kuratorium. Die Grünen fordern ja immer wieder Toleranz ein. Das Kuratorium hat sich heute das erste Mal getroffen. Vielleicht ist man einmal so tolerant und schaut einmal, wie die arbeiten, ohne einzelne Mitglieder vorzuverurteilen.“ Die von ihm nominierten Mitglieder seien „honorige Persönlichkeiten“ und nicht selbst Förderwerber.
„Naheverhältnis zu Parteien ist persönlich und sensibel“
Auf den Fragenkatalog der Opposition antwortete Kornhäusl so: Die Ausgewogenheit der Geschlechter sei berücksichtigt worden – das neue Kuratorium habe „vier kompetente Frauen. Auch im alten Kuratorium waren vier Frauen.“ Naheverhältnisse zu Parteien der Mitglieder seien „persönliche, sensible Daten“, die nicht erhoben werden dürfen – die Kompetenz sei ausschlaggebend. Zur regionalen Ausgewogenheit – der Zentralraum ist überrepräsentiert – sagte Kornhäusl, dass eben nicht nur der Wohnsitz herangezogen wurde.
Nicht jeder, der Rosegger oder Grogger liest oder in die Wagner-Oper geht, ist rechtsextrem.
Philipp Könighofer (FPÖ)
Hannes Schwarz, SPÖ, kritisierte den ÖVP-Landesrat: „Das eine ist das Reden, das andere das Tun. Bei dir ist das was völlig anderes.“ Er ortete rechtsextreme Tendenzen bei manchen Mitgliedern. KPÖ-Chefin Claudia Klimt-Weithaler verweis auf eine österreichweite Solidarisierungsaktion, der sich über 500 Künstler angeschlossen haben. Die Mittel abseits der großen Institutionen „sind seit 2017 de facto nicht erhöht worden. Die Kürzungen haben eine lange ÖVP-Geschichte.“ Robert Reif (Neos) bezeichnete die ÖVP als „Totengräber der Kultur“.
FPÖ-Kultursprecher Philipp Könighofer ließ sich die Kritik nicht gefallen: „Nicht jeder, der Rosegger oder Grogger liest oder in die Wagner-Oper geht, ist rechtsextrem.“ Er hofft, das nächste Mal „mehr weibliche Mitglieder zu gewinnen“. Im Gremium säßen „profunde Kenner“.
Auslieferung von Deutschmann
Die SPÖ stellte danach noch eine „Dringliche“ an Landeshauptmann Mario Kunasek. Die Forderung: den Standort Steiermark energiepolitisch absichern.
Landtagspräsident wird ausgeliefert
Außerdem stimmte der Landtag der Aufhebung der Immunität von FPÖ-Landtagspräsident Gerald Deutschmann zu. Die Staatsanwaltschaft Klagenfurt ermittelt gegen ihn in einem Seitenstrang der FPÖ-Graz-Finanzaffäre. Deutschmann soll einen FPÖ-Mitarbeiter zum Amtsmissbrauch angestiftet haben, er weist die Vorwürfe zurück.
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