Präsidentenwahl 2016

“Krone”-Analyse: Die Schwächen der Kandidaten

Österreich
17.01.2016 11:49

Alle chancenreichen Bewerber für das Amt des Bundespräsidenten sind eine gute Wahl. Vom erfahrenen Politiker bis zur Ex-Richterin, als Verfassungsjurist oder Professor. Das ist wichtig, weil der Präsident kein Grüßaugust sein soll. Das Amt dient in Österreich dem Machtausgleich zwischen Parlament, der Regierung und einer übergeordneten Instanz. Was jedoch sind die Schwachstellen der Kandidaten? Politologe Peter Filzmaier analysiert für die "Krone".

1. Rudolf Hundstorfers Problem ist, in Kernwählerschichten der SPÖ auf härtere Konkurrenz zu treffen als sein Vorgänger. Heinz Fischer triumphierte speziell unter Pensionisten. Das war 2004 gegen Benita Ferrero-Waldner leichter als im Duell mit Seniorenbund-Chef Khol. Arbeiter haben weder Ferrero-Waldner als Diplomatin noch 2010 Barbara Rosenkranz im Trachtendress zugejubelt. Nun wird da die FPÖ mehr mitmischen. Viele keineswegs rote Städter waren für Fischer, weil sie beide Frauen nicht mochten. Bei Griss oder van der Bellen sieht die Sache anders aus. Für jüngere Männer, Angestellte mit Matura oder jemand aus dem ländlichen Raum ist Hundstorfer ohnedies nicht erste Wahl.

In Nieder- und Oberösterreich, der Steiermark und im Westen ist seine SPÖ extrem geschwächt. Er muss auf Gewerkschafter und Arbeiterkämmerer hoffen, falls die Landesparteien keinen effektiven Wahlkampf schaffen. Genauso könnte Hundstorfers eigene Strahlkraft im Wiener Umland zwischen Traiskirchen und Purkersdorf - zwei Orte mit SPÖ-Bürgermeistern, die ihre Bundespartei attackieren - enden.

Video: SPÖ schickt Hundstorfer ins Rennen um die Hofburg

2. Andreas Khol wurde von ÖVP-Parteichef Reinhold Mitterlehner mit Mick Jagger verglichen. Jagger nahm Drogen, hatte bisexuelle Affären und schreit Stimmungen heraus. Bei Khol ist nichts davon bekannt. Ihm fliegen keine politischen Herzen zu. Er ist wertkonservativ, außerfamiliär kaum Gefühle zeigend, und sein Sprachtalent kann arrogant wirken.

Im Umkehrschluss wird es für Khol schwierig, bürgerlich-liberale Wähler in den Städten zu begeistern. Wien ist für die ÖVP wahltaktisches Katastrophengebiet. Was besonders für berufstätige Frauen mittleren Alters als Wechselwähler gilt. Generell spricht die Geographie gegen Khol. Für Erwin Pröll hätte die niederösterreichische Volkspartei bis zum Umfallen wahlgekämpft. Aufgrund der vielen Doppelwohnsitze auch nach Wien hinein. Dienst nach Vorschrift der "Pröllianer" für Khol genügt nicht.

Video: Andreas Khol will Sprachrohr der Bürger sein

3. Alexander van der Bellen ist ein gütiger Landesvater, der mit seinen Ansagen die Wählerschaft spaltet. Die Grünen liegen bei bis zu 15 Prozent der Stimmen, daher macht er für SPÖ- und ÖVP-Anhänger auf Überparteilichkeit. Das ist eine Strategie, als hätte Niki Lauda nichts mit Autorennen zu tun. Van der Bellen ist grün, folgerichtig schließt er die Angelobung eines FPÖ-Kanzlers aus. Was Millionen rot-blaue oder schwarz-blaue Wechselwähler irritiert. Van der Bellen verliert nicht allein Stimmen von Blauwählern, die er nie kriegen würde.

So sehr er die sonstige Schwäche von Grünkandidaten bei über 60-Jährigen ausgleicht: Ein Publikumserfolg für Arbeiter und Angestellte mit kleinerem bis mittlerem Einkommen sowie Nicht-Maturanten ist van der Bellen nicht. Ehrlich sozial zu denken ist etwas anderes als echte Erfahrungen aus solchen Lebenswelten zu haben.

Video: Van der Bellen glaubt an "ernste Chance"

4. Ob Irmgard Griss die emotionale Verbindung mit den Wählern gelingt, kann keiner vorhersagen. Wirkt sie sympathisch? Juristen müssen Eigenschaften haben, welche dem Politikerdasein widersprechen: Nüchtern und distanziert statt volksnah, rechthaberisch statt unvernünftige Meinungen anzuerkennen, ungeduldig an endgültigen Urteilen interessiert statt mit Geduld für Herumreden.

Anerkennen die Leute lediglich ihre Parteiunabhängigkeit, oder erwärmen sie sich für Griss? Wie reagiert sie unter Druck, wenn Journalisten oder Wähler unsachlich werden? Kommuniziert sie glaubhaft, die Alltagssorgen der Menschen aus ihr fremden Berufsgruppen zu verstehen? Wer ist ideologisch ihre Zielgruppe, wenn Linke (Hundstorfer) und Rechte (FPÖ-Kandidat) sowie Christen bzw. Katholiken (Khol) und Liberale (van der Bellen) bereits eine Option haben? Griss ist eine Kandidatin der offenen Fragen. Nur auf die Stimmen aus dem Lager der Parteienverdrossenheit zu setzen, das reicht kaum.

Video: Irmgard Griss postet Neujahrsansprache auf YouTube

5. Wenn die FPÖ an fünfter Stelle kommt, zeigt das deren Problem. Sie hat noch keinen Bewerber genannt. Heinz-Christian Strache selbst kneift vor dem Risiko. Zählkandidaten ohne Siegchance kann sich eine in Umfragen führende Partei nicht leisten. Ohne Kandidat wiederum kommt man öffentlich nicht vor. Auf das Bundespräsidentenamt zu schimpfen, das befriedigt nur hartgesottene Blaue, die über alles und jeden herziehen. Zudem muss die FPÖ jemand finden, der Wahlkampferfahrung mitbringt. Die üblichen Verdächtigen wie Rechnungshofpräsident Josef Moser haben diese nicht.

Mit Ausnahme von van der Bellen war freilich kein Möchtegern-Präsident je Spitzenkandidat an vorderster Front. Das ist schlecht, weil ein dummes Wort, ein ungeschickter Auftritt oder ein Fettnäpfchen sonstiger Art - und es ist vorbei. Dabei sind sämtliche Kandidaten geeignet. Österreich wird einen starken Präsidenten bekommen. Das ist gut so.

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