Die SPÖ peilt bei der nächsten Nationalratswahl eine Mehrheit jenseits von Schwarz-Blau an. Bundeskanzler und Parteichef Christian Kern soll deshalb von links in Richtung Mitte rücken und dort Wähler von FPÖ und ÖVP holen. Diese ungewöhnlich offenen Einsichten gab SPÖ-Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler am Mittwoch bei einem Hintergrundgespräch zur strategischen Ausrichtung der SPÖ.
"Das Ziel ist eine Mehrheit Rot-Grün-NEOS, weil wenn man eine alternative Mehrheit hat, ist das Regieren viel einfacher. Ob wir dann eine Koalition mit den geläuterten Schwarzen weitermachen oder ob es diese Variante wird, wird man dann nach der Wahl sehen. Aber es muss einmal eine Alternative dazu geben, um die Erpressbarkeit und Abhängigkeit von einer Partei zurückzuschrauben", sagte Niedermühlbichler.
Die Chancen für eine Mehrheit links der Mitte schätzt der SPÖ-Manager als "gut" ein - "nicht in den nächsten zwei Monaten, aber im nächsten halben Jahr". Daher erkläre sich auch der versöhnliche Ton in Richtung FPÖ sowie der Wirtschaftsschwerpunkt im "Plan A" und im neuen Regierungsprogramm von SPÖ und ÖVP. Laut Niedermühlbichler wäre es zwar die "einfachere Übung", Grün-Wähler in Richtung SPÖ zu ziehen, "das hilft uns nur nicht viel, weil wir dann in der Rot-Grün-NEOS-Schnittmenge nicht über 50 Prozent kommen". Ziel sei es, FPÖ- und auch ÖVP-affine Wähler anzusprechen.
SPÖ-Umfragen: Kern noch "zu links"
Derzeit würden die Österreicher Kern laut SPÖ-Umfragen noch "zu sehr als links" verorten, so Niedermühlbichler. Das rühre zum einen aus seiner Zeit als ÖBB-Chef, wo sich Kern für Flüchtlinge eingesetzt hatte, zum anderen von seiner Antrittsrede als Bundeskanzler und seinen Forderungen nach Vermögens- und Maschinensteuern her. Zuletzt habe der Kanzler über den von ihm vorgelegten "Plan A" aber sein Profil in Richtung Wirtschaft geschärft und beim Thema Migration setze der SPÖ-Chef auf Integration vor Neuzuzug. Niedermühlbichler: "Unsere Aufgabe war und ist es, Kern mehr in die Mitte zu bringen."
Arbeitsplätze, Bildung, Gesundheit, Sicherheit und Kriminalität, Pensionen, Chancen für Junge, Zuwanderung, Steuern und Abbau von Bürokratie sind laut SPÖ-Umfragen die Themen, die den Österreichern derzeit am meisten unter den Nägeln brennen. Vor allem beim Thema Sicherheit hatte die SPÖ laut ihrem Bundesgeschäftsführer eine "gewisse offene Flanke": Die SPÖ hatte hier laut internen Umfragen das Image des Blockierers und keine hohe Glaubwürdigkeit in der Kriminalitätsbekämpfung. Wegen der im Regierungspakt beschlossenen Sicherheitsmaßnahmen wie der verschärften Videoüberwachung geht Niedermühlbichler nun aber davon aus, "dass da eine Flanke geschlossen wurde".
"'Plan A' ist aufgegangen"
Mit dem von Kern präsentierten "Plan A" sei darüber hinaus das strategische Ziel erreicht worden, Kerns Profil als "wirtschaftsaffiner Macher mit einem klaren Plan" zu schärfen. "'Plan A' ist aufgegangen, und die Regierungsverhandlungen waren aus unserer Sicht sehr erfolgreich. Der Bundeskanzler hat auf den Tisch gehaut, dadurch geht jetzt was weiter", so der SPÖ-Manager.
Video: Die Highlights aus Kerns "Plan A"-Rede
Und Niedermühlbichler gab weitere Einsichten in die SPÖ-Forschungsarbeit mit Fokusgruppen und Meinungsumfragen der vergangenen Monate: Die SPÖ habe große Verdienste in der Vergangenheit, sie werde aber weniger als Partei gesehen, die heute noch für etwas steht. Deutlich besser fielen die Rückmeldungen für Kern aus: Er genießt laut seinem Bundesgeschäftsführer hohe Glaubwürdigkeit, gilt als Macher, Manager und ist beliebt. Viele trauten ihm Veränderungen zu, wollten aber erst abwarten, ob er diese schafft. Zweifel gebe es wegen der vielen "Bremser". Als solche genannt worden seien in dieser Reihenfolge: Gewerkschaft, SPÖ, ÖVP und schließlich die Wirtschaft.
Kickl: Kern will "Machterhalt um jeden Preis"
Die Freiheitlichen reagierten prompt: Generalsekretär Herbert Kickl sprach am Mittwochnachmittag von einer sich abzeichnenden "linkslinken-neoliberalen Achse". Niedermühlbichlers Äußerungen zeigten die "wahre Strategie" von Kern: "Machterhalt um jeden Preis statt Arbeit für die Österreicher". Eine von der SPÖ angestrebte Rot-Grün-NEOS-Regierung wäre "extrem links mit großindustriellem Einschlag", so Kickl. "Dafür schmeißt Kanzler Kern gern auch eherne Grundsätze der Sozialdemokratie wie Ballast über Bord."
Die umworbene Grünen-Chefin Eva Glawischnig gab sich nach den roten Avancen vorerst verhalten: Die "Sympathiebekundungen" seien zwar "freundlich und nett", es fehle jedoch der Beweis der Glaubwürdigkeit. So müsse das neue rot-schwarze Übereinkommen in den Bereichen Frauen und Soziales nachgebessert werden, etwa um einen gesetzlichen Mindestlohn von 1750 Euro. Die SPÖ müsse nun "arbeiten und Ergebnisse liefern".
NEOS: "Österreich nach vorn statt Kern in die Mitte"
NEOS-Generalsekretär Nick Donig fand schärfere Worte in Richtung der Sozialdemokraten: "Dass SPÖ und ÖVP das Land seit Jahrzehnten für ihre machtstrategischen Spielchen missbrauchen, ist bekannt - jetzt aber auch offen andere politische Bewegungen vor den Karren des Stillstands spannen zu wollen, ist ein neuer Höhepunkt am Egotrip des Machterhalts", so der pinke Parteimanager. Die Devise seiner Partei laute: "Österreich nach vorne statt Kern in die Mitte."
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