Hammer und Sichel

ÖVP rückt Kanzler Kern in Nähe von Kommunisten

Österreich
02.05.2017 16:00

Einen Termin für die nächste Nationalratswahl gibt es noch nicht, der Wahlkampf nimmt aber bereits an Fahrt auf: Die ÖVP greift nun Bundeskanzler und SPÖ-Chef Christian Kern mit einer Broschüre, in der vor Rot-Grün gewarnt wird, frontal an. Kern wird in dem "Manifest" als Marxist im Sowjet-Stil mit Hammer und Sichel dargestellt.

Auf 58 Seiten werden Argumente gegen Kern und eine mögliche rot-grüne Bundesregierung aufgelistet, darunter zehn angebliche Verbote, unter denen das Volk bei einer solchen Koalitionsvariante zu leiden hätte, berichtet die Tageszeitung "Kurier".

Volkspartei buhlt um den Mittelstand
Hintergrund der ÖVP-Aktion ist das Werben um die "Mittelschicht" (SPÖ-Diktion) beziehungsweise um den "Mittelstand" (ÖVP-Diktion). Die Broschüre ist offenbar die Reaktion auf die jüngste SPÖ-Kampagne, die diese Zielgruppe in den Mittelpunkt rückt. Kanzler Kern war dabei als Pizzabote ausgerückt und hatte Familien in ihren Wohnzimmern besucht.

"Wir wollen dem Mittelstand klarmachen, was Kerns Politik bedeutet", erklärte ÖVP-Generalsekretär Werner Amon im "Kurier" die Beweggründe für das "Rot-Grün-Manifest". Das Papier unterstellt SPÖ und Grünen etwa, keine Leistung zuzulassen, von Zuwanderern nichts einzufordern, Bürger nicht entlasten zu wollen, Jungen keine Chance zu geben, Unternehmern keinen Erfolg zu erlauben, keinen schlanken Staat zuzulassen, Begabungen nicht zu fördern, Werte und Traditionen nicht zu erhalten und die Macht nicht aus der Hand geben zu wollen.

(Bild: ÖVP)

Kern, der in der Broschüre als "Willkommenskultur-Kanzler" tituliert wird, verfolge das Ziel einer "linken Wende in Österreich", heißt es in der Broschüre. Sogar von einer "Rückkehr in die links-linke Gedankenwelt der kommunistischen Gründerväter Marx und Lenin" ist in dem Manifest die Rede.

Kanzler kontert ÖVP-Attacken mit Humor
In der SPÖ wollte man sich am Dienstag keine Irritation über die ÖVP-Kampagne anmerken und sich davon nicht provozieren lassen. "Wir kommentieren das nicht. Das richtet sich von selbst", hieß es aus der Parteizentrale. Kern selbst konterte auf die ÖVP-Attacken mit Humor. Er änderte am Dienstagnachmittag sein Profilbild auf Facebook und verwendete dafür jenes grafisch veränderte Porträtfoto, das die ÖVP als Titelbild für ihr Manifest genutzt hatte. Die Broschüre selbst, in welcher die ÖVP den Kanzler in Kommunisten-Nähe rückt, kommentierte Kern nicht.

Amon: Manifest ist "keine Wahlkampfbroschüre"
Laut ÖVP-Generalsekretär Werner Amon handelt es sich bei dem Manifest um "keine Wahlkampfbroschüre" sondern nur um eine "Informationsbroschüre für unsere Funktionäre", wie er im Ö1-"Mittagsjournal" erklärte. Amon sieht nicht seine Partei, sondern die SPÖ im Wahlkampf. Diese befinde sich im Dauerwahlkampf, die ÖVP möchte arbeiten und nicht dauerwahlkämpfen, sagte er.

Im Manifest werde vielmehr aufgezeigt, was im Fall einer rot-grünen Koalition drohe. In Wien seien die Schulden unter Rot-Grün etwa von drei auf sechs Milliarden Euro gestiegen. Dass Kern in der Publikation in die Nähe der kommunistischen Gründerväter Marx und Lenin gerückt wird, rechtfertigte der ÖVP-Politiker mit den Umverteilungsplänen der SPÖ am Beispiel der kalten Steuerprogression. "Das ist schon gelebter Sozialismus", so Amon.

ÖVP-Generalsekretär Werner Amon (Bild: APA/Roland Schlager)
ÖVP-Generalsekretär Werner Amon

Experte: "Man will nicht mehr miteinander"
Für den Politikberater Thomas Hofer ist die Broschüre nur ein weiteres Indiz dafür, dass die Koalition ihr Ablaufdatum erreicht hat. "Man will nicht mehr miteinander. Die Frage ist nur, wer sagt's den Kindern und wie bös reagieren die", zog Hofer einen Vergleich zu einer Scheidung. Die Broschüre selbst sei nichts Neues. Es habe von der ÖVP schon mehrere Rot-Grün-Warnfibeln gegeben und auch die Wiener SPÖ habe im letzten Wahlkampf ein "Blaubuch" über die FPÖ herausgebracht. "Das kommt nicht das erste Mal vor."

Der Stil der ÖVP-Broschüre sei "teilweise sehr plump" und "sehr lächerlich". Das sei aber Sinn der Übung solcher Fibeln, die vor allem der eigenen Funktionärsmobilisierung dienten, so Hofer. Dass in diesem Fall der Angriff auf Kern dazukomme, habe wohl damit zu tun, dass dieser mit seiner Wirtschaftsvergangenheit potenziell auch in die eigene Wählerschicht der ÖVP reinstrahle.

"Wir sind de facto im Wahlkampf"
Laut Hofer befindet sich die Politik jedenfalls längst in der Wahlauseinandersetzung. "Wir sind de facto im Wahlkampf, nennen wir es halt Vorwahlkampf. Die ÖVP hat dabei ein Problem. Sie muss Wahlkampf machen, ist aber kandidatentechnisch noch nicht so aufgestellt, dass alles aus einem Guss sein könnte", so Hofer in Anspielung auf die ÖVP-interne Personaldiskussion, laut der Außenminister Sebastian Kurz und nicht Vizekanzler Reinhold Mitterlehner den Spitzenkandidaten bei der Wahl geben könnte. Und die SPÖ habe die "Herausforderung Wien und einen Nachholbedarf in Sachen Mobilisierung, aber dort ist wenigstens klar, wer es wird".

"Wir sind de facto im Wahlkampf": Politikberater Thomas Hofer (Bild: APA/Markus Leodolter, APA/Georg Hochmuth)
"Wir sind de facto im Wahlkampf": Politikberater Thomas Hofer

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