Silberstein-Affäre:

Dieser SPÖ-Skandal kurz vor der Wahl bewegt alle

Österreich
01.10.2017 10:48

Untergangsstimmung und Fassungslosigkeit unter den Sympathisanten, harsche Kritik von den Politologen: Die Situation der SPÖ nach den schweren "Dirty Campaigning"-Vorwürfen und dem Rücktritt von Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler ist zwei Wochen vor der Nationalratswahl desaströs. Ist der Kampf um Platz eins für die Genossen damit endgültig verloren?

Viele SPÖ-Sympathisanten geben sich in den sozialen Netzwerken zerknirscht. "Wenn es stimmt, dass aus SPÖ-Kreisen Fake-Portale stammen, die mit Rassismus Gegnern schaden sollen, muss man sich schämen und entschuldigen", schreibt etwa der bekennende Sozialdemokrat Dennis Beck auf Twitter.

Caritas-Chef: "Habe mich wie viele andere täuschen lassen"
In dieselbe Kerbe schlägt Caritas-Geschäftsführer Klaus Schwertner. "Es wird immer unglaublicher und widerlicher. Wenn das stimmt, hat die SPÖ ein ernsthaftes Problem. Und ich müsste mich bei Peter L. Eppinger und Co. entschuldigen für mein Facebook-Posting vom Juli. Das werde ich auch tun, weil ich mich offenbar so wie viele andere täuschen habe lassen. Aber: Jetzt müssen endlich alle Fakten auf den Tisch!"

Politik-Berater Hofer: "Der Schaden für die SPÖ ist maximal"
Politologen und Meinungsforscher sehen das Rennen um den ersten Platz bei der Nationalratswahl als schon fast gelaufen an. Die jüngsten Entwicklungen rund um die SPÖ wertet etwa Peter Hajek (Public Opinion Strategies) als "Super-GAU". "Den Wahlkampfleiter zwei Wochen vor der Wahl austauschen zu müssen, das ist schon kaum zu übertreffen", meint Politik-Berater Thomas Hofer. Die dem Niedermühlbichler-Rücktritt vorangegangenen Enthüllungen, wonach ein vom ehemaligen SPÖ-Berater Tal Silberstein engagiertes Team für die SPÖ gefakte Pro- und Anti-Sebastian-Kurz-Facebook-Seiten mit rassistischen und antisemitischen Inhalten erstellt hat, sei ein "Dämpfer der Sonderklasse", so Hofer. "Der Schaden ist maximal."

(Bild: APA/AFP/J. GUEZ, APA/H. NEUBAUER, APA/G. HOCHMUTH,krone.at-Graf.)
(Bild: Gerhard Bartel)

Führungsrolle von Kern beschädigt
Die Experten sehen vor allem die Führungsrolle von Bundeskanzler und SPÖ-Chef Christian Kern beschädigt. Er werde sich dies "bei jedem Duell, jeder 'Elefantenrunde'" von allen Mitbewerbern anhören müssen. Die Enthüllungen würden innerparteilich "extrem negativ" wirken und die Reputation der Partei erschüttern, so das Urteil von Hajek. "Was übrig bleibt: Kann jemand, der selbst nicht in der Lage ist, einen ordentlichen Wahlkampf zu führen, kann so jemand ein Land führen? Das ist die hochproblematische Grundbotschaft", sagt OGM-Chef Wolfgang Bachmayer. Am Ende entstehe der Eindruck, Kern habe seine Partei nicht im Griff.

Christian Kern (SPÖ) (Bild: stock.adobe.com, EPA/SABINE HAUSWIRTH/OEBB, krone.at-Grafik)
Christian Kern (SPÖ)

Auch für den Politologen Peter Filzmaier steigt Kern bei der Beurteilung der jüngsten Ereignisse schlecht aus: "Was ist schlimmer: Man beauftragt jemanden mit Hunderttausenden Euros und hat keine Ahnung, was der macht, oder man wusste es? Beides ist gleichermaßen desaströs." Fast wortident kommentiert Hofer die Vorkommnisse: "Entweder Kern hat es gewusst, dann ist es schlimm. Oder er hat es nicht gewusst, dann ist es der Gipfel dessen, dass er eine völlig ungesteuert Kampagne hat, die er nicht im Griff hat." Für die SPÖ besonders problematisch sieht Filzmaier den Zeitpunkt der Enthüllungen: Die Affäre sei jetzt "Hauptthema der entscheidenden Wahlkampfwoche".

Pannenserie der SPÖ im Wahlkampf
Bachmayer sagt, dass der Wahlkampf der Sozialdemokratie von einer ganzen Serie von Pannen erschüttert worden sei. Als Beispiele nennt er den "Zickzackkurs" beim Thema CETA, den "Vollholler"-Sager Kerns zur Schließung der Mittelmeerroute oder den internen Streit im SPÖ-Team. Auch die Verhaftung von Silberstein und die folgende Aufkündigung der Zusammenarbeit, die Debatte um den Bau der Anti-Terror-Mauer vor dem Kanzleramt oder der Konflikt mit der Tageszeitung "Österreich" wegen geleakter interner SPÖ-Dossiers über den Kanzler zählt Bachmayer zu den Negativ-Punkten der roten Kampagne. Den Schlusspunkt hätten nun die "Wiederauferstehung" Silbersteins und der Rücktritt des SPÖ-Geschäftsführers gesetzt. "So eine Serie habe ich in 35 Jahren Politikbeobachtung noch bei keiner Partei erlebt", sagte der Meinungsforscher.

(Bild: APA/Hans Punz, krone.at-Grafik)

Bachmayer: "Platz eins für ÖVP fast so gut wie sicher"
Mit den aktuellen Geschehnissen scheint für Bachmayer Platz eins für die ÖVP schon fast so gut wie sicher zu sein. Möglicherweise abwandernde SPÖ-Stimmen würden nun wohl primär zu den Grünen und zur Liste Pilz gehen, teilweise auch zur FPÖ. Bachmayer spricht von einem möglichen "Saugeffekt" in Richtung Grüne und Peter Pilz. In diesem Zusammenhang könnte Kern auch seine Oppositionsansage - für den Fall, nicht Erster zu werden - "auf den Kopf fallen". Denn gedacht gewesen sei diese Ansage auch dafür, taktisch denkende Grün- und Pilz-affine Wähler für die SPÖ zu mobilisieren. Diese Komponente falle aber weg, sobald die Chance der SPÖ auf Platz eins aussichtslos erscheint.

(Bild: APA/ROLAND SCHLAGER)

Auch Hofer sieht für Grüne und Liste Pilz - eingeschränkt auch für die NEOS - die Chance, Wähler zurückzuholen, die schon in Richtung SPÖ abgedriftet sind. Aber auch ÖVP und FPÖ kämen die Probleme der SPÖ gelegen, denn damit haben die beiden Parteien "einen Konkurrenten weg". Der FPÖ traut Bachmayer nun zu, den zweiten Platz vor der Sozialdemokratie zu erobern. Ein Vorrücken der Freiheitlichen auf den ersten Rang hält er hingegen für wenig wahrscheinlich.

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