Die dritt- und viertgrößte Stadt der Steiermark haben seit heuer einen neuen Bürgermeister. Im großen "Krone"-Doppelinterview merkt man rasch: Die Chemie zwischen Peter Koch (Bruck) und Fritz Kratzer (Kapfenberg), beide SPÖ, stimmt. Anstatt sich gegenseitig ein Bein zu stellen, wollen die Nachbarstädte Motoren für die ganze Region sein - wenn möglich mit neuem Image.
"Krone": Sie sind seit wenigen Monaten Bürgermeister. Ist das Amt so, wie Sie es sich vorgestellt haben?
Peter Koch: Ja, aber noch intensiver, sowohl von der zeitlichen Belastung her als auch von den Herausforderungen, Fragen und Themenstellungen. Von den kleinsten bis zu den großen Sorgen, vom Schlagloch bis zur Strategieentwicklung von Unternehmen ist alles drinnen.
Fritz Kratzer: Du bist als Bürgermeister oft die letzte Instanz, die Leute brauchen sofort eine Entscheidung und Hilfe - eine Riesen-Verantwortung. Gerade menschliche Geschichten gehen unter die Haut. Näher als Kommunalpolitik ist nur noch das Verheiratetsein.
Koch (lacht): Du bist eh mit 23.000 Kapfenbergern verheiratet und ich mit 16.000 Bruckern.
Kratzer: Es gibt auch viele schöne Momente. Gerade jetzt bei den Weihnachtsfeiern sagen viele Danke.
"Krone": Das Bild des Bürgermeisters als Ortskaiser ist längst überholt. Wie ist Ihr Amtsverständnis?
Kratzer: Wir sind Ortsdiener (lacht). Im Firmenjagon sind wir serviceorientiert.
Koch: Ich will mehr Bürger als Meister sein, nicht derjenige, der alles weiß und kann. Ich hab’ ja nicht alle Antworten, sondern auch Zweifel. Wenn ich vor die Tür gehe, spricht mich sofort jemand an. Dann kann man nur die Ärmel aufkrempeln, reden und erklären.
"Krone": Welche Herausforderungen und Ziele haben Ihre Städte in den nächsten Jahren?
Kratzer: Vor allem das neue Böhler-Stahlwerk. Zu Spitzenbauzeiten werden wir bis zu 1000 Arbeiter bei uns haben, das ist auch in punkto Verkehr und Unterbringung eine Herausforderung. Es haben schon Unternehmen Zimmer gebucht, obwohl sie noch gar keinen Auftrag haben. Sie wissen, dass es sonst knapp wird.
Koch: Diese Aufgabe müssen wir als Region gemeinsam bewältigen.
Kratzer: Pankl wird die Flugzeugtechnik in Kapfenberg konzentrieren, der neue Bahnhof kommt, und ein großer Brocken sind 500 geplante Wohnungen. Wir leiden darunter, dass wir nicht sehr viele moderne Wohnungen haben. Jeden Tag haben wir 7300 Einpendler. Wenn wir nur einen Bruchteil davon abfangen…
Koch (lacht): Die Brucker aber nicht!
Kratzer (lacht): Da brauchen wir ein Gentleman’s Agreement.
Koch: Wohnen in der Innenstadt wird auch bei uns zum Glück wieder modern. Sehr wichtig ist uns auch das Bürgerbeteiligungsprojekt Bruck 2030. Wir wollen eine agile Innenstadt und forcieren den Gesundheitsbereich. Bruck soll das Herz der Region bleiben - gemeinsam mit den Städten rundherum. Da gibt es mit dir, Fritz, mit mir, mit Mario Abl (Trofaiach, Anm.), Kurt Wallner (Leoben) und Christian Sander (Kindberg) ein Zeitfenster. Wir gehen gut miteinander um und freuen uns mit den anderen.
Kratzer: Es hat ja niemand etwas davon, wenn es dem anderen schlecht geht und zum Beispiel in Bruck ein Geschäft zusperrt.
Koch: Wir haben in der Region die Fachhochschule, die Forstschule, die Montanuniversität, den Tourismus, Dutzende Weltmarktführer - und die größte soziale Sicherheit.
"Krone": Doch das Image der Region ist gerade außerhalb der Steiermark noch immer von der Krise der 1980er geprägt.
Kratzer: Ich glaube, wir müssen vom Begriff Industrieregion weg, so weh es tut. Nach wie vor haben viele ein Bild von Rauchfang, alter Fabrikshalle, dreckiger Straße und halbverfallener Arbeitersiedlung im Kopf.
Koch: Und das gibt es bei uns nirgends!
Kratzer: Bei mir war erst vor kurzem eine Redakteurin, die gefragt hat, wo sie dieses Bild findet. Ich hab’ gesagt, sie muss woanders hinfahren. Wir müssen von diesem Image weg. Das wird eine Generation dauern.
Koch: Wir haben ja im Gegensatz zu anderen Regionen den schmerzhaften Strukturwandel gut über die Bühne gebracht. Das ist ein riesiger Transformationsprozess, den können Sozialdemokraten gut machen.
"Krone": Was ist für Sie das typisch Sozialdemokratische?
Koch: Ein Sozialdemokrat hat immer die Idee, dass es der nächsten Generation besser gehen soll. Der Stein kann auch einmal hinunterrollen, aber ein richtiger Sozi rollt ihn immer wieder nach oben. Wir sorgen für Zusammenhalt in der Gesellschaft, Chancen- und Verteilungsgerechtigkeit, das ist unser historischer Auftrag.
Kratzer: Wir berücksichtigen auch jene, die es sich nicht selbst richten können. Wobei natürlich auch Leistung zählt.
"Krone": Im Bund geht die SPÖ in die Opposition. Eine Chance?
Kratzer: Wir müssen die Oppositionspolitik erst lernen und auch intern einiges ändern, uns öffnen, moderner werden, unsere Werte glaubhaft vermitteln, aber auch klar sagen, wo unsere Grenzen sind. Ein Großteil unserer Klientel kennt noch die Zeit der Verstaatlichten Industrie, wir können aber nicht alles für sie richten, diese Zeit ist vorbei.
Koch: Wir müssen uns etwas mehr um die kleinen Leute kümmern. Aber ich gebe Fritz Recht, es braucht Anreize für Leistungswillige.
"Krone": Die Gretchenfrage: Wie halten Sie es mit der FPÖ?
Kratzer: Wenn der Wille zur Zusammenarbeit gegeben ist, habe ich kein Problem mit den Freiheitlichen. Klar ist aber: Mit hetzerischen Parolen und ähnlichem brauchen sie uns nicht zu kommen.
Koch: Ich sehe das ähnlich. Ich kämpfe nicht gegen die FPÖ, sondern um ihre Wähler. Bei der FPÖ ist es leider oft so, dass sie in Gesprächen zustimmen und am nächsten Tag im Beisl hört sich das ganz anders an.
"Krone": Zum Abschluss bitte ich um einen Weihnachtswunsch für die Nachbarstadt?
Koch: Ich wünsche dir und Kapfenberg, dass der Boom weitergeht, euch weitere Akzente in der Innenstadt gelingen und ihr die Aufgabe mit den Wohnungen gut über die Bühne bringt.
Kratzer: Ich wünsche uns allen in der Region, dass die Dinge, die wir uns vorgenommen haben, gelingen. Ich wünsche dir, Peter, dass die Brucker Vision 2030 aufgeht. Und ich wünsche dir noch viele Kräne.
Koch (lacht): Danke Fritz, die wünsche ich dir auch.
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