1. Tag COFAG-Ausschuss

Minister fragte nach Anzeige: „Deppert geworden?“

Politik
06.03.2024 18:03

Er war noch gar nicht da und doch omnipräsent. Am ersten Tag des Untersuchungsausschusses standen Corona-Entschädigungszahlungen an Immobilien-Jongleur René Benko genauso im Fokus wie dessen mutmaßliche Steuervermeidungstaktiken. Mit dem Geschäftsmodell von Benkos Signa-Firmengeflecht ging Wolfgang Peschorn als erste Auskunftsperson hart ins Gericht. Zweite Auskunftsperson war eine frühere Finanzbeamtin, die Pikantes in der Steuercausa Wolf zutage förderte. Die „Krone“ war live vor Ort.

  • Die Finanzbeamtin schildert, wie 2019 der damalige Finanzminister Eduard Müller - jetzt Chef der Finanzmarktaufsicht - laut geworden sei, als sie ihn über ihre Anzeige in der Steuercausa Wolf informierte. Er habe gefragt, ob alle „deppert geworden“ seien.
  • Der U-Ausschuss begann chaotisch und mit Verspätung, Medienvertreter beschwerten sich, dass ihre Arbeit behindert und erschwert wurde.
  • Grünen-Fraktionschefin legte ein Dokument vor, wonach René Benko allein im Jahr 2019 eine Jahresgage von knapp 26 Mio. Euro bekommen habe. „Wofür?“, fragt sie, denn er war offiziell nicht Geschäftsführer.
  • Ein wichtiges Kapitel bleibt die Kika/Leiner-Pleite. Hier werden Rückforderungen der Republik ein Thema sein, so Wolfgang Peschorn.
  • Das Modell der Signa sei „wie die Klimakrise“, weil man Probleme in der Zukunft verschlimmere, sagte der Chef der Finanzprokuratur zum undurchsichtigen Firmengeflecht von Benko.

Machtmissbrauch, Millionen an Förderungen und Milliardäre. Der heute startende Untersuchungsausschuss zur COVID-19 Finanzierungsagentur des Bundes GmbH, kurz COFAG, hat es in sich. Aber worum geht es überhaupt? Durch die Maßnahmen in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie fuhr im März des Jahres 2020 bekanntlich das ganze Land hinunter. Die Regierung geriet wirtschaftspolitisch unter Zugzwang. Im April wurde ein COVID-19-Gesetzespaket beschlossen, um die erforderlichen Maßnahmen zur Eindämmung des Virus und wirtschaftliche Hilfsmaßnahmen für die österreichische Wirtschaft zu setzen. Satte 38 Milliarden Euro wurden der rot-weiß-roten Wirtschaft zur Unterstützung in der Corona-Krise zugesichert.

Wolfgang Peschorn ist erste Auskunftsperson im U-Ausschuss (Bild: APA/ROLAND SCHLAGER)
Wolfgang Peschorn ist erste Auskunftsperson im U-Ausschuss
Immo-Jongleur Rene Benko (Bild: Sepp Pail, APA/Roland Schlager, Krone KREATIV)
Immo-Jongleur Rene Benko

Rasch und effizient“?
19 Milliarden Euro davon, die Mittel aus dem sogenannten Corona-Hilfsfonds, wurden von der eigens eingerichteten COVID-19 Finanzierungsagentur des Bundes GmbH, kurz COFAG, verwaltet. Aufgabe der COFAG war es auch laut eigenen Angaben, „rasch, effizient, transparent und nachvollziehbar finanzielle Maßnahmen zur Erhaltung der Zahlungsfähigkeit und zur Überbrückung von Liquiditätsschwierigkeiten der österreichischen Unternehmen während der Corona-Krise zu ergreifen“. Garantien, Fixkostenzuschüsse, Verlustersatz, die Ausfallsboni sowie der Lockdown-Umsatzersatz wurden bereitgestellt.

Kritik vom Rechnungshof
Aus Transparenzgründen war seitens der Agentur auch eine „regelmäßige Berichterstattung an den Nationalrat“ vorgesehen. Ebendort wurde die Agentur dann aber aus anderen Gründen Thema. Der Rechnungshof übte scharfe Kritik an der Agentur, der Verfassungsgerichtshof kippte sogar deren Grundlagen. Im November 2023 einigten sich die beiden bereits erprobten U-Ausschuss-Fraktionsführer Kai Jan Krainer (SPÖ) und Christian Hafenecker (FPÖ) auf die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Agentur. Die NEOS sprachen sich dagegen aus.

ÖVP-nahe Milliardäre bevorzugt?
Gegenstand des heute startenden Ausschusses ist eine etwaige bevorzugte Behandlung von Personen, denen ein Vermögen von zumindest einer Milliarde Euro zugerechnet werden kann und die die ÖVP etwa durch Spenden unterstützt haben oder um deren Unterstützung von der ÖVP geworben wurde. Der Fokus der Untersuchungen soll auf der COFAG liegen sowie deren Zahlungen an der Volkspartei nahestehende Milliardäre. Besonders im Fokus stehen Zahlungen an Immobilien-Jongleur René Benko und Milliardär Siegfried Wolf, die laut Krainer und Hafenecker mutmaßlich bevorzugt worden sein sollen.

Auch die Steuerakten der Unternehmer Franz Rauch, Stefan Pierer und Johann Graf wurden aus dem Finanzministerium angefordert. Auf Basis der teilweise bereits bekannten Chatnachrichten des früheren Chefs der Österreichischen Beteiligungsholding ÖBAG, Thomas Schmid, sollen Verbindungen und Förderungen genauer unter die Lupe genommen werden. Die Grünen wollen im Zusammenhang mit Benko sogar einen Mitarbeiter für Großbetriebsprüfungen aus dem Finanzamt vor den Ausschuss laden. 

Benko und das Chalet N. (Bild: Krone KREATIV, Karl Schöndorfer, Andreas Fischer)
Benko und das Chalet N.

Die beiden grünen Abgeordneten Nina Tomaselli und David Stögmüller stellten darüber hinaus auch noch Anträge auf Lieferung aller Akten zur Signa Holding, Laura Privatstiftung, Signa Luxury und Schlosshotel Igls, später zu Chalet N. Im Luxusressort soll Benko sein bester Gast gewesen sein, berichtete die „Krone“. Das Finanzministerium liefert Teile von Akten – unter anderem zu Mietrückständen in Millionenhöhe, lehnt jedoch eine Lieferung zu Chalet N. und Privatvilla vorerst ab. Beide seien nicht Benko zuzurechnen.

Allein die Unternehmen, die Immobilienjongleur Benko zugerechnet werden, haben während der Coronavirus-Pandemie durch die Covid-Finanzierungsagentur (COFAG) 18,7 Millionen Euro erhalten. Das ergibt sich aus Zahlen aus dem Transparenzportal des Finanzministeriums. Für den freiheitlichen Fraktionsführer Hafenecker ist das zu viel. Die von der EU-Kommission festgelegte Grenze für Unternehmensverbünde von 14 Millionen Euro sei damit überschritten.

(Bild: Krone KREATIV)

Die meisten Förderungen flossen an die Kika/Leiner-Gruppe. Konkret beläuft sich die Summe für diese Unternehmen in den Jahren 2020 bis 2023 auf rund 9,1 Millionen Euro. Auch die NEOS haben im Ausschuss weniger die COFAG, als die Geschäfte des Immobilien-Jongleurs und Abläufe in der Finanzverwaltung im Blick. Dazu wird bis ins Jahr 2018 zurückgegangen, als Benko Kika/Leiner kaufte, die Möbelhauskette, die später Millionen an Corona-Hilfen bekam und vergangenes Jahr insolvent ging.

Im Erwin-Schrödinger-Lokal wird ab heute befragt. (Bild: Parlamentsdirektion/Michael Buchner)
Im Erwin-Schrödinger-Lokal wird ab heute befragt.

Es gibt Hinweise, dass bereits 2018 bekannt war, dass es Benko nur um die Immobilien ging, nie um die Rettung von 5000 Arbeitsplätzen, wie von der damaligen türkis-blauen Regierung behauptet. Dazu sollen brisante Chats –aus dem weiterhin sehr ergiebigen Handy von Schmid – vorgelegt werden. 

Benko und das Bankengeheimnis
Indes trat in Vorarlberg der Vorstand der Hypo-Landesbank nach Vorwürfen, die Bank habe leichtfertig Kredite an die Signa Gruppe vergeben, an die Öffentlichkeit. Vom Bankengeheimnis entbunden, sprach Vorstandsvorsitzender Michel Haller von „komplexen Sachverhalten“, die offenbar „lückenhaft“ bis „falsch dargestellt“ worden seien. Die Hypo beteiligte sich etwa aber am „Chalet N“ in Lech (mit 20,8 Millionen Euro Pfandrechten besichert) sowie bei zwei weiteren Projekten mit Pfandrechten von 4,1 Millionen und 5, 2 Millionen Euro. Die Kreditvergabe für die „Familie Benko Privatstiftung“ belaufe sich laut Haller auf 47,3 Millionen Euro. Wie Haller zudem ausführte, habe die Bilanz der Stiftung zum Zeitpunkt der Kreditentscheidung im Jahr 2020 ein ausgewiesenes Ergebnis von 102 Millionen Euro ausgewiesen. Der Fremdkapitalanteil sei gering gewesen. Wie viel Geld der Bank tatsächlich durch die diversen Konkurse im Signa-Seifenblasen-Palast entgehen werde, sei aber noch ungewiss.

Benko kommt am 4. April
Zurück zum Ausschuss: Benko selbst war ursprünglich bereits für den zweiten Ausschusstag am Donnerstag geladen. Benkos Anwalt Norbert Wess sagte diesen Termin für seinen Mandanten ab, für den Befragungstermin am 4. April jedoch zu. 

Die vier Beweisthemen

1. COFAG

2. Informationsweitergabe und Interventionen

3. Kooperationen staatsnaher Unternehmen

4. Staatliche Aufsicht

Untersucht wird im Ausschuss zu insgesamt vier Beweisthemen und in einem Zeitraum von 18. Dezember 2017 bis 23. November 2023, jenem Tag, an dem der Ausschuss eingesetzt wurde – und somit schon ab einem Zeitpunkt, an dem von der Pandemie und der Agentur noch keine Rede war. Krainer und Hafenecker begründeten das damit, auch Spender des Projekts „Ballhausplatz“ unter die Lupe nehmen zu wollen. Am ersten von vorerst sieben geplanten Ausschusstagen sind heute der ehemalige Innenminister und aktuelle Leiter der Finanzprokurator, Wolfgang Peschorn, sowie eine ehemalige Bedienstete des Finanzministeriums, geladen.

Peschorn könnte Aufschluss darüber geben, wie hoch der Schaden in den verschiedenen Causen ist – und ob sich die Republik als Geschädigte einem Strafverfahren anschließt. Die ehemalige Bedienstete hatte indes die Dienstaufsicht über den Vorstand der Großbetriebsprüfung inne - zuständig etwa in der Frage, wie viel Steuern die Signa Holding zu zahlen hat. Von ihr erhofft man sich Einblicke in wichtige Postenbesetzungen und brisante Causen: Den mutmaßlichen Steuerrabatt für Unternehmer Wolf, zu dem ermittelt wird, und die Sitzverlegung von Benkos Signa von Wien nach Innsbruck, vermutlich um Steuern zu sparen. Die NEOS vermuten im Finanzamt Innsbruck eine strukturelle Bevorzugung bestimmter Akteure. Im U-Ausschuss wollen sie aufklären, warum. Die „Krone“ ist für Sie mit einem Live-Ticker vor Ort. 

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