Rebellen oder Helden?

Warum diese Politiker um Vorzugsstimmen rittern

Innenpolitik
14.09.2024 06:00

Am 29. September können die Österreicher ihr Kreuzerl nicht nur neben einer Partei machen, sondern auch mehrere Namen am Wahlzettel vermerken. Doch was hat es mit diesen Vorzugsstimmen auf sich und warum sind sie für einige so wichtig? Die „Krone“ klärt auf und hat mit fünf Vorzugsstimmenrittern gesprochen.

Die Nationalratswahl 2024 in Österreich rückt näher. Während die Mehrheit der Wähler ihren Fokus auf das Kreuzerl bei der richtigen Partei legt, kann man über das Vorzugsstimmen-System aktiv Einfluss auf die Zusammensetzung des Parlaments nehmen. Denn Kandidaten mit der nötigen Anzahl an Vorzugsstimmen können sich direkt ihr Platzerl in den Reihen des Parlaments sichern. Es gibt nur einen Haken – man kickt damit auf jeden Fall einen Kollegen oder Kollegin der eigenen Partei aus dem Hohen Haus und mitunter in die Bedeutungslosigkeit. Doch wie funktioniert das System? 

Nicht nur Kreuzerl machen
Jeder Wähler in Österreich hat bei der Nationalratswahl nicht nur die Möglichkeit eine Partei zu wählen, sondern auch einzelne Kandidaten innerhalb(!) der gewählten Partei mit einer Vorzugsstimme zu unterstützen. Dabei können bis zu drei Kandidaten auf der Bundes- und Landeswahlliste sowie einer auf der Regionalwahlliste mit einer Vorzugsstimme bedacht werden. Entscheidend für das Vorzugsstimmen-System ist, dass ein Politiker, der genügend Vorzugsstimmen erhält, in der Reihenfolge der Parteilisten nach oben rücken kann. Eine hohe Platzierung auf der Liste bedeutet eine realistischere Chance auf ein Mandat.

Wie viele Stimmen sind nötig?
Um tatsächlich durch Vorzugsstimmen in den Nationalrat zu gelangen, müssen bestimmte Schwellenwerte überschritten werden. Auf Bundesebene muss ein Kandidat 7 Prozent der Parteistimmen im gesamten Bundesgebiet erreichen, auf Landesebene sind es 10 Prozent, und auf der Regionalebene sogar 14 Prozent der Stimmen in der jeweiligen Region. Und wir sprechen hier nicht von ein paar Hundert Unterschriften. Schon im Regionalwahlkreis müssen Kandidaten der größeren Parteien knapp die 5000-Marke überspringen. Auf Bundesebene können es dann auch schon 75.000 und mehr Stimmen sein. Die Hürden sind zwar hoch, doch der Lohn ist ein Sitz im Parlament. Was dieser Erfolg mitunter auch mit sich bringt? Eventuell den Unmut der eigenen Partei aber mit Sicherheit die Abneigung des Parteifreunds, dessen Platz man damit erobert hat. 

„Krone“ hat einige Kadidaten nach ihren Beweggründen gefragt:
Sie rittern um Vorzugsstimmen

Andreas Hanger (ÖVP): 

(Bild: www.charakter.photos | Philipp Monihart)

„Krone“: Warum sollten Wähler Sie vorziehen, wenn Ihre Partei Sie nicht auf einen vorderen Listenplatz gesetzt hat?
Hanger: Bei den Nationalratswahlen gibt es ein umfangreiches Persönlichkeitswahlreicht. Neben einer Partei kann man eine Vorzugsstimme auf Bundes- und Landesebene bzw. im Regionalwahlkreis (durch Ankreuzen) geben. Eine Vorzugsstimme gibt einem Kandidaten politisches Gewicht, um seine Anliegen bestmöglich im Nationalrat zu vertreten. Je mehr Vorzugsstimmen, desto mehr politisches Gewicht. Aus diesem Grund werbe ich in meinem Wahlkreis (3C, Mostviertel, das sind die Bezirke Amstetten, Melk und Scheibbs) um Vorzugsstimmen.

Was qualifiziert Sie für diese Position?
Ich darf jetzt seit über 10 Jahren meinen Wahlkreis Mostviertel im Parlament in Wien vertreten. Durch diese langjährige Erfahrung kenne ich die parlamentarische Arbeit sehr gut. Insbesondere in Finanz- und Budgetfragen bin ich gut eingearbeitet. Mein weiterer Arbeitsschwerpunkt sind die Themen „Ehrenamt“ und „Freiwilligkeit“, hier konnten wir in der letzten Gesetzgebungsperiode durch ein neues „Freiwilligengesetz“ oder durch das „Gemeinnützigkeitsreformgesetz“ konkrete Verbesserungen erzielen. Weiters freue ich mich, dass wir im Mostviertel im Bereich der digitalen Infrastruktur (Glasfaser-Ausbau) eine absolute Vorzeigeregion sind. Auch für dieses Thema konnte ich mich konkret einsetzen.

Ist Ihr Vorzugsstimmenwahlkampf auch als Kritik an der Linie Ihrer Partei zu verstehen?
Nein, es geht mir ausschließlich darum, durch möglichst viele persönliche Vorzugsstimmen meiner politischen Arbeit entsprechendes Gewicht zu verleihen.

Halten Sie sich für die Stimme der Basis?
Es gibt kein Wochenende, an dem ich nicht bei den verschiedensten Veranstaltungen in direkten Kontakt mit den Bürgerinnen und Bürgern bin. Aus diesen Gesprächen weiß ich sehr genau, bei welchen Themen den Menschen „der Schuh drückt“. Ja, ich halte mich daher für eine „Stimme der Basis“.

Wo unterscheiden sich Ihre Ansichten von jenen Ihrer Partei?
In Detailfragen gibt es immer wieder unterschiedlichen Meinungen, das gehört in einer lebendigen Demokratie auch dazu. Bei den großen Themen Sicherheit, Leistung und Familie unterstütze ich zu 100% die Linie unserer Partei. Dieses Programm wurde ja auch gemeinsam erarbeitet. Auch mit unserem Wahlslogan „Wir.Die Mitte“ kann ich mich zu 100% identifizieren.

Muna Duzdar (SPÖ):

(Bild: Kurt Prinz)

„Krone“: Warum sollten Wähler Sie vorziehen, wenn Ihre Partei Sie nicht auf einen vorderen Listenplatz gesetzt hat?
Duzdar: Ich habe immer schon bei Wahlen um Vorzugsstimmen geworben. Mit einer Vorzugsstimme kann der Wähler mitbestimmen, wer für ihn und seine Partei in den Nationalrat zieht. Das ist eine gute Sache! Ich bin eine Unterstützerin Andi Bablers der ersten Stunde und stehe für Erneuerung. Als Rechtsanwältin und Politikerin treibt mich eine tiefe Sehnsucht nach Gerechtigkeit an. Ich setze mich für all jene Menschen ein, die nicht auf der Butterseite des Lebens gefallen sind. Mein großes Anliegen ist, dass Österreich wieder gerechter wird.

Was qualifiziert Sie für diese Position?
Ich bin aktuell Nationalratsabgeordnete und Mediensprecherin der SPÖ. Ich war zudem Staatssekretärin in der Regierung Christian Kerns. Außerdem führe ich eine Rechtsanwaltskanzlei und kenne daher auch die unternehmerische Seite sehr gut. Und ja, ich komme von der Parteibasis. Gemeinsam mit meiner Sektion bin ich egal zu welcher Jahreszeit, bei Regen und Sonnenschein, in Kaisermühlen politisch aktiv.

Ist Ihr Vorzugsstimmenwahlkampf auch als Kritik an der Linie Ihrer Partei zu verstehen?
Das darf man doch nicht so eng sehen. In erster Linie wollen wir alle der SPÖ so viele Wählerstimmen wie möglich bringen. Ich habe der Partei bei den letzten Nationalratswahlen schon Tausende Stimmen gebracht und genau das werde ich auch diesmal tun.

Halten Sie sich für die Stimme der Basis?
Ja. Es ist in der Politik unglaublich wichtig, nicht abzuheben. Egal was man tut, in welcher Funktion man agiert, man muss mit dem Herzen bei der Basis bleiben, den Menschen zuhören, ihre Sorgen kennen und verstehen. Aus diesem Grund bin ich immer in meinem Bezirk Donaustadt und meinem Grätzl politisch aktiv, verteile Flyer und diskutiere mit den Leuten bei unserem Stammwirten. 

Wo unterscheiden sich Ihre Ansichten von jenen Ihrer Partei?
Ich bin tief verwurzelt in der Sozialdemokratie und sehe da keine inhaltlichen Differenzen. Ich setze aber sicherlich einen stärkeren Akzent auf die Öffnung und Demokratisierung der Partei, als andere.

Laura Sachslehner (ÖVP):

(Bild: Garima Smesnik)

„Krone“: Warum sollten Wähler Sie vorziehen, wenn Ihre Partei Sie nicht auf einen vorderen Listenplatz gesetzt hat?
Sachslehner: Sowohl in einer Demokratie als auch in einer Partei geht es immer darum, Mehrheiten für die eigenen Überzeugungen zu finden. Ich habe in der Vergangenheit bewiesen, dass es mir nicht um Funktionen geht, sondern um einen klaren Mitte-rechts-Kurs & eine Politik mit Rückgrat. Eines ist klar, eine Vorzugsstimme für mich ist eine Stimme für einen konsequenten Mitte-rechts-Kurs in diesem Land und auch innerhalb der Volkspartei.

Was qualifiziert Sie für diese Position?
Ich habe in der Vergangenheit schon bewiesen, dass ich mir nicht zu schade dafür bin, auch harte Kämpfe auszufechten. Aber mir geht es nicht um die Position, sondern mir geht es darum, dass Österreich eine dringend benötigte Mitte-rechts-Politik bekommt. Dafür möchte ich eine laute Stimme sein.

Ist Ihr Vorzugsstimmenwahlkampf auch als Kritik an der Linie Ihrer Partei zu verstehen?
Eine Partei wie die Volkspartei hat sich immer durch ihre Breite ausgezeichnet. Ich trete dafür an, dass ideologische Hirngespinste wie ein Klimabonus für Asylwerber, unkontrollierte Zuwanderung oder der Ausverkauf unserer Staatsbürgerschaft endlich kein Teil mehr unserer Realität sein sollen.

Halten Sie sich für die Stimme der Basis?
Sich selbst anzumaßen, für jemanden anderen zu sprechen, überlasse ich anderen. Ich möchte eine laute Stimme für einen konsequenten Mitte-rechts-Kurs sein und damit all jene vertreten, die aktuell oft kein Gehör finden.

Wo unterscheiden sich Ihre Ansichten von jenen Ihrer Partei?
Die Grundwerte der Volkspartei sind völlig klar. Die Volkspartei steht für ein Ende der illegalen Migration, für ein Ende der ungezügelten Schuldenpolitik und für ein Ende der Zuwanderung in unser Sozialsystem. Ich werde innerhalb der Volkspartei und auf allen politischen Ebenen dafür kämpfen, dass die schweigende Mehrheit in diesem Land wieder eine Stimme hat.

Leo Lugner (FPÖ):

(Bild: FPÖ Wien)

„Krone“: Warum sollten Wähler Sie vorziehen, wenn Ihre Partei Sie nicht auf einen vorderen Listenplatz gesetzt hat?
Lugner: Mit Platz 25 auf der Bundesliste, Platz 11 auf der Landesliste sowie Platz 3 im Wahlkreis der Bezirke 13, 14, 15 und 23 habe ich eine prominente Position. Ich strebe nun an, diese Platzierung durch Vorzugsstimmen weiter auszubauen. Dank unserer Wahlordnung kann der Wähler seinen Kandidaten direkt wählen. Um den Bürgern eine starke rechte Stimme zu verleihen, habe ich mich entschlossen einen Vorzugstimmenwahlkampf zu machen.

Was qualifiziert Sie für diese Position?
Neben meiner parlamentarischen Erfahrung aus dem Wiener Landtag bringe ich auch wertvolle Berufserfahrung aus dem Einzelhandel mit. Politiker, insbesondere Abgeordnete, sind Vertreter des Volkes und sollten nicht die Interessen von Konzernen oder internationalen Organisationen vertreten. Das zu verstehen, ist meiner Meinung nach die beste Qualifikation.

Ist Ihr Vorzugsstimmenwahlkampf auch als Kritik an der Linie Ihrer Partei zu verstehen?
Im Gegenteil. Mein Vorzugsstimmenwahlkampf erfolgt in enger Abstimmung mit der Partei und zielt darauf ab, das Gesamtergebnis der FPÖ zu stärken.

Halten Sie sich für die Stimme der Basis?
Die Basis ist bei uns Freiheitlichen immer von zentraler Bedeutung. Jeden Tag unterstütze ich Wahlhelfer, insbesondere in meinem Wahlkreis. In gewisser Weise könnte man sagen, ich komme selbst aus der Basis.

Wo unterscheiden sich Ihre Ansichten von jenen Ihrer Partei?
Mir fällt kein Punkt ein, in dem sich meine Ansichten von denen meiner Partei unterscheiden.

Nikolaus Kowall (SPÖ):

(Bild: Peter Reitmayr)

„Krone“: Warum sollten Wähler Sie vorziehen, wenn Ihre Partei Sie nicht auf einen vorderen Listenplatz gesetzt hat?
Kowall: Wer sagt, dass Parteien immer optimale Entscheidung treffen? Die SPÖ Wien neigt eher dazu bei Personalentscheidungen auf Nummer sicher zu gehen und da ist jemand der für Reform und Aufbruch statt eines „Weiter so“ steht natürlich ein gewisses Risiko. Jetzt liegt es am Wähler, dieses Risiko anstelle der Partei einzugehen.

Was qualifiziert Sie für diese Position?
Ich bin Doktor der Volkswirtschaftslehre und habe mehrere Jahre Berufserfahrung in der deutschen Forschungslandschaft gesammelt. Im Sommer habe ich ein Buch veröffentlicht, in dem es darum geht, den ökologischen Umbau als Aufbauprojekt zu sehen und nicht als Abbauprojekt. Wir brauchen Pumpspeicherkraftwerke, Wasserstoffpipelines, Recyclinganlagen – da müssen Staat und Unternehmen Hand in Hand gehen für diese großen Investitionen. 

Ist Ihr Vorzugsstimmenwahlkampf auch als Kritik an der Linie Ihrer Partei zu verstehen?
Mit der inhaltlichen Neuausrichtung der Babler-SPÖ kann ich mich identifizieren und möchte mich im Nationalrat konstruktiv bei Fragen der Industriepolitik einbringen, etwa unseren geforderten Transformationsfonds mit Leben zu befüllen. Als Wiener Vorzugsstimmenkandidat bin ich aber schon ein Symbol für einen Generationswechsel. 

Halten Sie sich für die Stimme der Basis?
Es gibt in einer demokratischen Partei keine Basis mit einheitlicher Meinung. Genauso wenig, wie es in einer Demokratie die Stimme des Volkes gibt.

Wo unterscheiden sich Ihre Ansichten von jenen Ihrer Partei?
Wie gesagt, kann ich mit dem Wahlprogramm der SPÖ gut leben. Ich setze aber schon einen spezifischen Schwerpunk und fokussiere auf die Frage, wie wir das erwirtschaften sollen, was wir verteilen möchten. Mir geht es um ein volkswirtschaftliches Geschäftsmodell für die Babler-SPÖ.

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