Der Wahl-Barometer der „Steirerkrone“ fünf Wochen vor der Landtagswahl: ÖVP und SPÖ haben sich leicht verbessert, die Grünen und NEOS verzeichnen ein Minus. Was sind die Hintergründe?
Wer gewinnt, wer verliert? Die zahlreichen Meinungsumfragen zur Landtagswahl haben mehr oder weniger Aussagekraft. Manche werden sogar strategisch eingesetzt – um der einen oder anderen Partei zu helfen oder zu schaden.
Wie es in der Steiermark wirklich ausgeht, das erfahren wir definitiv nicht am heutigen Sonntag, sondern erst am 24. November. Dann, wenn nicht nur ein paar Hundert Steirerinnen und Steirer von einem Institut befragt werden, sondern wenn fast eine Million Menschen im Land ihre Stimme abgeben darf.
Stimmung schwenkt etwas um
Wie sich die Stimmung für die maßgeblichen Parteien fünf Wochen vor der Wahl darstellt, das haben die „Steirerkrone“-Redakteure hier zum zweiten Mal zusammengefasst. Im Vergleich zum ersten Wahl-Barometer vor zwei Wochen hat sich in der Zwischenzeit – samt Vorarlberg-Wahlen – in unseren Augen die Stimmung für die ÖVP auf niedrigem Niveau leicht, für die SPÖ etwas stärker gebessert.
Während die außerordentliche Top-Stimmung für die Freiheitlichen, die wir schon vor zwei Wochen am Anschlag verortet haben, gar nicht mehr steigerungsfähig wäre. Im Stimmungsminus sehen wir dagegen Grüne und NEOS, die KPÖ bleibt stabil. All das bleibt eine Momentaufnahme. Das nächste Barometer folgt.
„Die herben Verluste bei der Nationalratswahl vor allem in der Steiermark waren wie ein Schock für uns.“ Eine ranghohe ÖVP-Funktionärin sprach das aus, was viele Schwarze nach dem für sie noch schwärzeren 29. September dachten. Seit der Vorarlberg-Wahl keimt aber wieder Hoffnung bei der Volkspartei, „weil die Menschen wirklich zwischen einer Bundes- und einer Länderwahl unterscheiden können“. Klar ist allen in der Partei, dass die Entscheidung über Sieg oder Niederlage in der Landeshauptstadt fallen wird. Zu eklatant waren die Verluste der ÖVP in den Bezirken – der blaue Orkan fegte da über so gut wie jede einstige schwarze Hochburg hinweg. Also Graz. Hier hofft man einerseits, dass vom FPÖ-Finanzskandal doch etwas beim Wähler hängen geblieben ist und außerdem, dass die Bäume für die KPÖ nicht weiter in den Himmel wachsen. Es ist jedenfalls auffällig, dass sich auch Landeshauptmann Christopher Drexler nun verstärkt der Hauptstadt widmet, und auch die Attacken von Stadtparteichef Kurt Hohensinner gegen KPÖ-Bürgermeisterin Elke Kahr werden härter. Bleibt nur die Frage, ob das auch bei den Menschen glaubwürdig ankommt.
28 Prozent bei der Vorarlberg-Wahl und aller Wahrscheinlichkeit nach eine schwarz-blaue Koalition im kleinsten Bundesland Österreichs: Die „blaue Welle rollt“, wie Bundesparteichef Herbert Kickl frohlockt. Auch in der Steiermark stehen die Zeichen für die FPÖ auf Sieg am 24. November – bereits jetzt ist die Partei von Mario Kunasek bei den meisten Instituten Umfragekaiser. Dennoch will Kunasek den Tag nicht vor dem Abend loben: Man starte bei null, meint er – und nimmt das von den Schwarzen ausgerufene Duell um den Landeshauptmann an. Was ihn von Christopher Drexler unterscheide, sei seine Nähe zu „den Leuten“, deponierte er diese Woche in einem „Steirerkrone“-Interview. Tatsächlich kämpft der ÖVP-Landeschef weiter mit mäßigen Beliebtheitswerten. Zwei Wermutstropfen gibt es für die Freiheitlichen allerdings aktuell: Mit KFG, DNA und MFG treten in Graz drei Listen an, die im blauen Wählerteich fischen und sie einige Prozentpunkte kosten könnten. Dazu will die niederösterreichische FPÖ drei Spitäler zusperren und ein Leitspital errichten – pikanterweise das gleiche Modell, das Kunasek und Co. in der Steiermark bekanntlich heftig kritisieren …
Der außerordentliche Parteitag der SPÖ in Leoben sollte als Mutinjektion für die steirischen Genossen und ihren Vorsitzenden Anton Lang dienen. Die Stimmung zuvor war mies, nach der bitteren Schlappe bei der Nationalratswahl sah man durchwegs hängende Köpfe. Die Therapie gegen die Depression half: Der „Toni“, wie ihn die Funktionäre nennen, holte sich 96 Prozent Zustimmung und damit eine breite Rückendeckung für die Landtagswahl. Wie die Trendumkehr gelang? Lang hatte aus Loyalität dem Vorsitzenden gegenüber lange zu Andreas Bablers linken Fantasien geschwiegen, nach dem Stimmendebakel brach er jedoch sein selbst auferlegtes Schweigegelübde. Er sprach offen Probleme mit Migranten an und forderte Konsequenzen für all jene Personen, die sich nicht integrieren wollen. Die Genossen sahen den Rechtsschwenk als längst überfälligen Befreiungsschlag, damit die SPÖ nicht mehr länger nur Zuschauer in dem von ÖVP-Landeshauptmann Christopher Drexler ausgerufenen Spitzenduell mit FPÖ-Chef Mario Kunasek ist. Jetzt gilt es für die Roten, den Schwung in den Wochen bis zur Wahl mitzunehmen.
Auf bundespolitischer Ebene sind die Grünen derzeit kaum präsent, bei den Gesprächen über eine mögliche Regierung kommen sie nur am Rande vor. Störfeuer für den grünen Wahlkampf in der Steiermark sind derzeit aus Wien also nicht zu erwarten. Die fehlende mediale Präsenz macht es aber gleichzeitig auch schwierig, die eigenen Themen zu platzieren. Der intensive Wahlkampf hat dieser Tage begonnen – natürlich in Graz, wo sich die Partei die größten Chancen ausrechnet. Eine spannende Frage: Kann man – gerade in der Landeshauptstadt – Wähler zurückgewinnen, die bei der Nationalratswahl ihr Kreuz bei der SPÖ gemacht haben? Bundesparteichef Babler zieht ja stärker im urbanen Raum. Und die zweite offene Frage: Spielt die Verkehrspolitik von Judith Schwentner in Graz eine Rolle?
Wer dieser Tage mit Niko Swatek, Spitzenkandidat der steirischen NEOS, spricht, merkt die große Zuversicht hinsichtlich der Wahl am 24. November. Die Pinken gehen davon aus, dass sie – wie heuer schon bei der EU- und der Nationalratswahl – zulegen können. Und Swatek hält in einem Interview mit der „Krone“ auch fest, dass er nicht um jeden Preis Teil einer künftigen Landesregierung sein will. Voraussetzung sei, dass die Koalitionspartner bereit für Reformen sind. Die große Gefahr ist aber, dass sich der Wahlkampf in den nächsten Wochen auf ein Duell oder einen Dreikampf an der Spitze zuspitzt und die kleineren Parteien unter die Räder kommen. Swatek rät jedenfalls schon von „taktischem Wählen“ ab, denn das habe in Österreich noch nie zum gewünschten Erfolg geführt.
Bei der EU- und bei der Nationalratswahl hat sie sich im Hintergrund gehalten, bei der Landtagswahl zeigt die Grazer Bürgermeisterin Elke Kahr gleich zum Auftakt Präsenz und präsentierte mit Spitzenkandidatin Claudia Klimt-Weithaler die Schwerpunkte. Dass das kommunistische Leibthema leistbares Wohnen ganz an der Spitze stand, überraschte nicht. Dass insbesondere die Grazer ÖVP die Stadtchefin auffallend stark in die Kritik nimmt, sorgt hingegen durchaus für Erstaunen. Denn alle Umfragen weisen eine nach wie vor hohe Popularität für Kahr – auch jenseits der Grazer Stadtgrenzen – aus. „Sie ist ein bisschen wie Mutter Teresa“, sagt fast schon resignierend ein Mitbewerber. Für die KPÖ ist ein gutes Wahlergebnis am 24. November dennoch nicht selbstverständlich.
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